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Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Titel: Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
Autoren: Alexandra Marinina
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allein dasitzen, oder sie werden gleich pampig. Anastasija Pawlowna, Sie sind unvergleichlich. Sie lehnen es also kategorisch ab, meine Bekanntschaft zu machen?«
    »Wozu denn noch?« Nastja zuckte die Achseln. »Sie wissen sowieso schon genug über mich: Name, Vatersname, daß ich originell und unvergleichlich bin. Wollen Sie sonst noch etwas wissen?«
    »Nicht böse sein, Anastasija Pawlowna, ich habe doch nur ein bißchen meinen Status als Angestellter mißbraucht, um an der Rezeption zu erfahren, wie diese bezaubernde Frau aus Zimmer 513 heißt, die den ganzen Tag wie ein fleißiges Bienchen auf der Schreibmaschine tippt und bei deren Anblick es mir den Atem verschlägt. Strafen Sie mich, falls ich schuldig bin. Ich gestehe alles.«
    Mit reuiger Miene beugte der Blonde seinen Kopf demonstrativ nach unten. Nastja nahm eine Zigarette, zündete sie an und sagte eine Weile gar nichts.
    »Junger Mann, erstens habe ich Augen im Kopf, und zweitens hat irgendein Mensch, es sei ihm Dank, den Spiegel erfunden. Dadurch habe ich die Möglichkeit, Sie zu sehen und auch mich selbst. Sie sind jung, gutaussehend, voller Kraft. Ich bin älter, habe eine angeschlagene Gesundheit, und vor allem bin ich als Frau absolut unattraktiv. Gekleidet bin ich ebenfalls mehr als bescheiden. An mir als Frau können Sie also unter gar keinen Umständen interessiert sein, das steht schon mal fest. Zudem sind Sie ganz offensichtlich intelligent und von schneller Auffassungsgabe. Sie haben meine Ungehörigkeit richtig verstanden und spontan darauf reagiert. Ich muß also zu dem Schluß kommen, daß Sie irgend etwas von mir wollen.«
    Nastja machte eine Pause, um dem Blonden die Möglichkeit zu geben, sich eine Antwort zurechtzulegen. Sie fand die Situation inzwischen nicht mehr amüsant, sie begann sich zu ärgern. Was wollte dieser Schönling von ihr? Schnell ging sie im Kopf die letzten Fälle durch, an denen sie vor ihrem Urlaub gearbeitet hatte. Vielleicht war er ein ›Anhängsel‹, das sie bis von Moskau hinter sich herzog? Oder einer von der hiesigen Polizei, der in Erfahrung bringen sollte, wie sie hier untergebracht war, mal unterstellt, dem Chef der Kripo, Sergej Michailowitsch, war plötzlich wieder eingefallen, daß er sein Versprechen gegenüber Gordejew nicht gehalten hatte. Höchst unwahrscheinlich, doch was gab es nicht alles im Leben!
    »Sie haben mir also nichts zu sagen? Dann wünsche ich alles Gute.«
    Sie drückte ihre Zigarette aus und stand auf.
    »Sie haben ein zauberhaftes Lächeln«, sagte der junge Mann niedergeschlagen.
    Das ist nicht mein Lächeln, ich habe es einer Schauspielerin abgeguckt. Eine geschlagene Woche habe ich geübt, bis ich es draufhatte. Ich benütze es speziell in solchen Fällen, wo ich besonders wohlwollend erscheinen will, so wie heute. Du bist alles andere als blöd, Junge. Aber damit habe ich dich wenigstens drangekriegt, dachte Nastja auf dem Weg nach oben. Sie war froh, den Blonden so leicht losgeworden zu sein. Dies war das erste, worin sie sich täuschte.
    Als Nastja auf ihr Zimmer kam, war es gründlich gelüftet. Sie beschloß eine heiße Dusche zu nehmen, bis die Heizung das Zimmer wieder erwärmt hatte. Genüßlich ließ sie sich die heißen Wasserstrahlen auf den Rücken prasseln und massierte dabei mit den Fingern die schmerzende Stelle. Nachdem sie richtig durchgewärmt war, rubbelte sie sich mit dem Handtuch ab und suchte ohne hinzusehen mit dem Fuß nach ihren Gummischlappen. Als sie nur feuchtkalte Fliesen unter den Füßen spürte, sah sie nach unten: Die Schlappen standen ein Stück weiter weg, nicht dort, wo sie sie nach dem Schwimmbad hingestellt hatte. Seltsam. Die Bewegung war über die Jahre hin zum Automatismus geworden: Wo Nastja auch war, ob zu Hause oder auf Dienstreise, immer stellte sie die Gummidinger ›Made in Vietnam‹ so hin, daß sie direkt aus der Dusche hineinschlüpfen konnte. Sie spürte einen unangenehmen kalten Klumpen im Magen, hüllte sich schnell in ihren warmen Bademantel und ging aus dem Bad. Auf den ersten Blick war alles in Ordnung. Bei genauerem Hinsehen jedoch war Nastja klar: Jemand war im Zimmer gewesen und hatte herumgeschnüffelt.
    Beinahe hätte sie geschrien vor Schmerz, als sie sich ruckartig hinkniete und die Reisetasche unter dem Bett hervorzog. Die Tasche war ein Stück weiter druntergeschoben, Nastja selbst hätte sie niemals so verstaut, weil sie wußte, welche Schmerzen ihr das Bücken bereitete. Sie zog den Reißverschluß der
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