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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht
Autoren: Veronika Peters
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wissen wollte? Niamye schickte sie in die Steppe, wo sie fortan nur Aas fressen durfte. Der Leopard aber, der mit frischer Beute zufrieden war, ohne nach dem Woher zu fragen, wurde belohnt mit schnellen Pfoten und Glück für die Jagd. Ich hatte eine wilde Melodie für die letzte Passage gewählt.

    Dass jedoch weder Hyäne noch Leopard preisgeben wollten, wo sich ihre Höhlen befanden, machte sie zu Verbündeten, und der Leopard rannte das eine ums andere Mal durch die Steppe, wo ihm wie zufällig tote Beute aus dem Maul fiel. Ob das Fleisch der Hyäne bekommen ist? Ich weiß es nicht mehr.
    Dann sind die beiden Raubtiere von uns gezähmt worden und in unseren blutigen Dienst getreten.
    Du hast ihn eingefordert, den gesungenen Doppelmord.
    Jetzt mach schon: Hol dir auch diesen Gedanken!

    Plötzlich ist Gretas Stimme zu hören, die ihre Namen ruft. Krachend wird das Schubfach zugeworfen, Sophia ist mit einem Satz wieder an Martas Seite, als Greta den Kopf ins Zimmer steckt. »Ach, hier seid ihr.« Sie lässt den Blick durch den Raum wandern, sieht ihre Töchter fragend an, entscheidet sich nach einer stummen Weile, ihrerseits deren verlegenes Lächeln zu erwidern. »Seht mal, was ich gefunden habe!« Greta hebt den Arm, hält eine eingestaubte Flasche Wein in die Höhe. »Einen 1989er Château Haut-Brion!«
    Sophia reißt die Augen auf. »Hast du eine Ahnung davon, was der wert ist?«
    »Ja, habe ich«, sagt Greta. »Und ich will den jetzt mit euch trinken.«
    »Du spinnst ja!« Sophia ist sichtlich amüsiert; auch Marta kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Was auch immer im Keller vor sich gegangen ist, das Ergebnis gefällt ihr.
    Kati schmiegt sich von hinten an ihre Mutter und wirft den Schwestern einen herausfordernden Augenaufschlag aus rot verquollenem Gesicht zu. Gretas Arm wandert um sie herum, bringt die Flasche an Katis linker Hüfte wieder zum Vorschein, die sich noch enger an sie drückt. Unsicher sucht Greta Martas
Blick, lächelt schließlich dankbar, als sie keine Spur von Missbilligung darin erkennt, und wendet sich mit Kati im Arm in den Flur. »Nicht da drinnen«, ruft sie über die Schulter, »draußen, auf der Terrasse, dort hat er sich nur ungern aufgehalten. Kommt ihr? Wir brauchen Gläser und einen Korkenzieher!«
    Sophia schüttelt den Kopf. »Was wird das denn jetzt?« Sie macht sich auf den Weg in die Küche, Marta folgt ihr, lässt sich zwei Weingläser in die Hand drücken und sagt: »Vielleicht passt so eine groteske Form von Abschied ganz gut zu unserer Familie.«
    »Hast du gerade unsere Familie gesagt?«
    »Nun mal langsam …«
    Sophias Ellenbogen landet hart in Martas Seite.
    Greta strahlt die beiden an, als sie albern prustend auf die Terrasse treten, wo neben Blumentöpfen und Plastikplanen fünf hölzerne Gartenstühle vor sich hin modern. Kati schaut demonstrativ in den Wald. Sophia nimmt Greta die Flasche aus der Hand, wischt mit dem Ärmel darüber, betrachtet das Etikett: »Nicht zu fassen!«
    »Mach schon auf!«
    Mit einem Plopp zieht Sophia den Korken heraus, Greta verzieht das Gesicht. »Ein wenig mehr Respekt, Sophia!«
    »Ach, ja?«
    Marta stellt die Gläser auf einen kleinen Palisandertisch, Sophia beginnt auszuschenken. Gluckernd rinnt der Wein in Richards Kristallgläser, einige Tropfen gehen daneben, versickern im ausgelaugten Holz.
    »Also gut: kein Respekt!«, sagt Greta. Für einen Moment ist die Fröhlichkeit in ihrer Stimme einem bitteren Beigeschmack gewichen. Die drei Töchter sehen ihre Mutter an, jede von ihnen wüsste jetzt gerne, was im Kopf dieser Frau vor sich geht.
Greta bemerkt die Verwirrung. »Entschuldigt, ich habe auch bloß Nerven.«
    Kati rückt ihren Stuhl näher an Gretas heran, beäugt Marta, die Anstalten macht, sich auf der anderen Seite der Mutter niederzulassen. Marta fängt den Blick der Schwester auf, rutscht etwas ab, die Stuhlbeine knirschen schrill über den Terrakottaboden.
    Greta richtet sich auf, beginnt die Gläser zu verteilen. Jede ihrer Töchter streckt eine Hand aus und nimmt ein Glas mit dem kostbarsten Tropfen aus Richards verwaisten Alkoholbeständen entgegen.
    »Kein Trinkspruch!«
    Sie heben die Gläser.
    Kati sieht traurig und verloren aus, als sie am Wein nippt, Marta und Sophia nehmen jede einen kräftigen Schluck, Greta leert ihr Glas in einem Zug, stellt es auf den Tisch zurück und lässt beim Zurücklehnen ihren Arm zu Katis Rückenlehne wandern.
    Sophia verteilt den Rest der Flasche zwischen Greta und Marta,
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