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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht
Autoren: Veronika Peters
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an, als Sophia sich nach einer Weile wieder Greta zuwendet. Sie hat die Veränderung im Gesicht der Schwester gesehen, die kurz das Kinn auf die Brust sinken ließ, die Augen schloss und für einen Moment der früheren Greta so ähnlich war, dass man Angst bekommen konnte. Jetzt richtet sie sich auf, die offene Kaffeedose in der Hand. »Dies ist unser Haus, wir alle haben einen Teil unseres Lebens hier verbracht.«
    Kati schnauzt Sophia an: »Sie will wissen, warum du so vertraut mit ihm warst, dass du sogar bei ihm übernachtet hast, inmitten
seiner Sachen. Und hast auch noch den Saustall ausgemistet, seinen Dreck weggemacht! Warum du? Ich habe ihn öfter besucht! Jetzt kochst du lässig Kaffee, als wohntest du hier.«
    »Ich war nicht seine Vertraute, falls du das glaubst, ich habe ihn nur in einem schwachen Moment erwischt, und: Ja, er hat mir leidgetan, der weinende alte Mann. Kati, du hast keine Ahnung, was es bedeutet, wenn ich das sage, du kannst dich kaum an die Zeit vor Martas Flucht erinnern. Frag sie doch, oder nein, lass sie in Ruhe und misch dich nicht in Sachen, die du nicht verstehst.«
    »Das ist nicht fair«, heult Kati, und Marta ist geneigt, ihr recht zu geben.
    Greta schüttelt den Kopf. »Warum sind wir hier, Sophia?«
    Kati verlässt den Raum, ihre Schritte sind auf der Kellertreppe zu hören.
    »Um zu vergessen«, sagt Sophia.
    »Du liest die falschen Bücher«, murmelt Greta.
    »Kann sein. Ich dachte … ach, was soll’s.«
    Sophia beginnt, kochendes Wasser in die Kanne zu füllen, öffnet den Küchenschrank, stellt ein Schraubglas mit Milchpulver auf die Anrichte, greift nach den Kaffeebechern im offenen Regal, zieht die Besteckschublade auf. Ihre Handgriffe sind gezielt und ruhig, kein Zittern, kein Zögern, sie kennt sich aus.
    Draußen ist die Katze auf einen Pfosten am Gartentor gesprungen und leckt ihre Pfoten. Marta spielt kurz mit dem Gedanken, den Aschenbecher nach ihr zu werfen, lässt es dann aber. Richards Aschenbecher, sauber gespült, keine Spur.
    Greta stößt sich vom Kühlschrank ab. »Ich schaue mal nach Katharina.« Ihre Handtasche bleibt auf dem Boden zurück.
    Sophia kommt mit zwei Kaffeetassen an den Tisch, reicht Marta eine davon.

    »Sophia, ich …«
    »Du brauchst nichts zu erklären. Ist schön, dass du hier bist.«
    Sie nimmt einen Schluck, verzieht das Gesicht, schüttet den Rest in den Ausguss. »Scheußlich, trink das bloß nicht!«
    Marta lacht und stellt ihre Tasse zu der anderen in die Spüle.
    »Und jetzt?«
    »Du musst ja nicht gleich wieder auf Jahre verschwinden«, sagt Sophia, während sie sich am Wasserhahn zu schaffen macht.
    »Nein, muss ich nicht.«
    Sophia lächelt ins Spülwasser. Marta greift sich ein Handtuch vom Haken und nimmt das nasse Geschirr von Sophia entgegen. »Hast du gelegentlich in Berlin zu tun?«
    »Möglicherweise.«
    Marta legt das Handtuch beiseite, geht zu ihrem Rucksack und holt ihr Notizbuch hervor. Sie schreibt rasch ein paar Zeilen, reißt das Blatt heraus und hält es Sophia hin. »Kannst dich ja mal melden.«
    Sophia betrachtet das Stück Papier, nickt, faltet es zusammen, steckt es in die Tasche ihrer Jeans.

    In der Zeit am Anfang der Zeiten starb ein Mann auf seinem Weg durch die glühende Mittagshitze. Seine beiden Frauen eilten zu dem am Boden liegenden Körper und brachen in jammerndes Wehklagen aus. »Lass uns rasch im Wald Arznei holen, bevor es zu spät ist«, sagte die eine, aber die andere weigerte sich, von ihrem Mann abzulassen: »Hierbleiben will ich und dafür sorgen, dass sich kein Ungeziefer auf ihm niederlässt!« Da rannte die erste Frau in den Wald und traf einen Kobold. »Was dringst du in mein Reich ein?«, fragte er sie streng. »Gib mir die Medizin, die die Toten wieder lebendig macht«, bat die Frau, »ich benötige sie für meinen Mann.« Der Kobold hatte
Mitleid mit der bekümmerten Frau und gab sie ihr. »Aber ich warne dich«, sagte er streng, »die Arznei wirkt nur, wenn sich noch kein Ungeziefer auf dem Toten niedergelassen hat!« Die Frau dankte dem Kobold und eilte zu dem Toten und der anderen Frau zurück. »Wie gut«, rief sie schon von weitem, »du hast dafür gesorgt, dass die Medizin wirken kann!« Sie gaben dem Mann von der Zauberarznei, und er erhob sich und war wieder unter den Lebenden. Der Gatte fragte seine beiden Frauen, wem er nun seine Rettung zu verdanken habe. »Mir!«, schrie die eine, »nein, mir!«, rief die andere, und sie gerieten in einen so heftigen Streit, dass er
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