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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht
Autoren: Veronika Peters
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alles, was Richard noch hatte, nachdem sich ehemalige Kollegen, Nachbarn und sämtliche Verwandten zurückgezogen hatten. Ich war froh, dass die Bundesbrüder trotz seines Verfalls noch kamen. Einer von ihnen hat ihn sogar im Krankenhaus besucht: Bruno Schäfer. Das ist der, der sich vorhin bemüht hat, Mama zu begrüßen und Erika zu beruhigen. Ich habe ihn in der Klinik getroffen. Diese Leute haben für die Verabschiedung ihrer verstorbenen Mitglieder nun mal eigene Riten, die sind, wie sie sind.«
    Marta traut ihren Ohren nicht. Sophia bemerkt ihr verblüfftes Gesicht, ihr Ärger weicht einem Schmunzeln, das Marta fast noch mehr irritiert.
    »Sophia, diese Typen, wir haben sie gehasst!«
    »Dabei ist es auch geblieben.«
    »Wieso also sie ans Grab bestellen?«
    »Vater hat das viel bedeutet, mehr als Frau und Kinder: als wir. Und es war seine Beerdigung, nicht unsere.«
    Warum sich ihre Finger treffen, bleibt beiden ein Rätsel, das keine von ihnen zu analysieren gewillt ist.
    Erzähle, Sophia, nenn mir den Code.
    »Wir werden diesen Mann nicht entschlüsseln, Marta.«
    »Kannst du Gedanken lesen?«
    Sophia tritt näher an Marta heran, greift ihr ins Haar, zieht ihren Kopf am Pferdeschwanz nach hinten. »Bin etwas aus der Übung, was dich angeht, Schwester.«
    Ihre Hände gleiten auf Martas Schultern, greifen zu. Marta spürt, wie sich Sophias Daumen unter ihrem Schlüsselbein ins Fleisch drücken. »Du tust mir weh!« Augenblicklich löst sich der Druck, wandert an ihren Armen herunter, lässt schließlich ganz von ihr ab.

    »Hilfst du mir beim Ausräumen dieser Hölle? Tust du das?«
    »Eigentlich wollte ich mich aus alldem raushalten«, sagt Marta und denkt: Wir sind komplett wahnsinnig!
    Was für eine Vorstellung: Sophia und sie, hemdsärmelig mit dem Müll aus Richards Leben, ein großer Container vor dem Haus, in dem die letzten Spuren eines Vaters entsorgt werden, während die Nachmieter unruhig mit den Füßen scharren.
    Sollten ausgerechnet sie beide normale Töchter darstellen, die sich um die Entsorgung der Besitztümer ihres verblichenen Erzeugers kümmern? Früher waren sie mal Grabräuberinnen; das würde es besser treffen. Zwei Frauen auf der Suche nach so etwas wie einer zusammenhängenden Geschichte?
    Das Wissen, dass du nicht von mir alleingelassen werden wolltest, Schwester, hätte vielleicht auch nichts geändert; einen Versuch deinerseits wäre es allemal wert gewesen. Möglicherweise kann ich bleiben, bis die Aufgabe gelöst ist, sofern wir herausbekommen, wie sie lautet. Du wirst die Insekten nicht vertreiben, ich werde den Kobold nicht suchen, niemand wird auf erweckt, es besteht vorerst keine Gefahr.
    »Schon mal darüber nachgedacht, die Bude einfach anzuzünden?«
    Sophia lacht: »Früher oft, jetzt ist es nicht mehr nötig. Ordnungsgemäße Abwicklung und dann: vorbei!«
    Vorbei, denkt Marta, alles und nichts. Verbrannte Asche hätte weniger Indizien hinterlassen und wäre als Metapher enorm tauglich gewesen. Kinderkram! Sie sind erwachsen, sie sollten gelernt haben, ohne Feuersbrünste auszukommen.
    Sing ich dir ein Lied,
    denk ich dir ein Haus …
    Weißt du noch, Liebste, ich hab in deinem Auftrag getötet.

    Der unerklärliche Wunsch, Greta möge wieder auftauchen, bringt Marta fast mehr aus der Fassung als die Melodie, die ihr plötzlich wieder in den Sinn kommt. Am Meer war sie ihr eingefallen, bei einem Aufenthalt in Assinie. Sie waren nachmittags mit Vollgas an einem Buschbrand vorbeigefahren, hatten sich feuchte Taschentücher vor den Mund gehalten, das Knistern und Krachen war bis ins Wageninnere zu hören gewesen und hatte den Motor übertönt. Als sie später den Strand erreicht hatten, befahl Richard ihnen, sich im Meer zu säubern, bevor sie sich an der Rezeption des Clubs blicken lassen durften. Das wütende Spucken des Feuers noch im Ohr, hatte sich Marta im gleichmäßigen Wogen des Wassers treiben lassen. In der darauffolgenden Nacht war Sophia zu ihr ins Doppelbett des Ferienappartements gekrochen, und Marta hatte aus den verschiedenen Rhythmen von Feuer und Wellen das neue Abenteuer gewoben: Schnell, langsam, hart, weich, zerstörerisch, sanft … bis Aura Poku sich verabschiedet hatte und Sophia endlich eingeschlafen war.

    »Was willst du mit dem Haus machen, wenn es leer ist?«
    »Ich alleine gar nichts«, antwortet Sophia, »wir werden es verkaufen, denke ich. Drei gleiche Teile: Katharina, Marta, Sophia, so steht es geschrieben. Ich habe das Testament
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