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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht
Autoren: Veronika Peters
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Loch herausschaut, wurde mit dünner Kordel umwickelt. Marta tritt näher ans Fenster, die Amsel fliegt davon. Das Gras im hinteren Garten steht kniehoch, Büsche wuchern ins Gelände. Hier ist seit langem kein Gärtner gewesen. Aber Richard als Vogelfreund? Schwer denkbar.
    »Hier.« Sophia hat einen Pappordner in den Händen, aus dem sie einen Stapel Fotos holt. »Sieh dir das mal an.«
    Marta ist instinktiv zurückgewichen. Richard wäre vollkommen ausgerastet, hätte er sie hier beim Schnüffeln erwischt. Sie will raus aus diesem Zimmer, zurück in Flur oder Küche, die Sophia bereits von seinen Spuren gereinigt hat, dorthin, wo man besser atmen kann. Hier drinnen ist es entschieden zu voll, jeden Moment könnte sie über Dinge stolpern, die besser mit ihm begraben worden wären; was beim Eintritt noch neugierige Spannung war, ist verflogen. Antworten sind kaum zu erwarten.
    Habe ich dich doch schon vor einer Ewigkeit über den Totenfluss geschickt; nur Greta ist zurückgekommen, obwohl niemand in den Wald ging, für sie den Trank zu holen.
    Schlafmangel, denkt Marta, hat bei mir noch nie zu größerer Klarheit der Gedanken geführt.
    Als sie das oberste Bild erkennt, greift sie doch nach dem Packen in Sophias Hand und schiebt langsam ein Bild hinter das andere. Die Aufnahmen sehen professionell aus, mit dem Teleobjektiv gemacht, grobkörnig und in Farbe. Auf allen ist Marta zu sehen: in Raphaelas Garten, auf der Straße, vor der Buchhandlung,
am Fenster von Raphaelas Haus. Weiter unten sind Bilder aus Berlin: Valentins Café, Marta davor mit der schwarzen Kellnerschürze und der großen Geldbörse in der Hand, eine Aufnahme von Paul und Marta beim Verlassen des Hauses, Marta mit Yannis im Park, Marta inmitten einer Gruppe von Freunden, Valentin, der sie auf den Mund küsst, Marta beim Einsteigen in den alten Peugeot.
    »Was soll das …?« Sie hält Sophia die Abzüge hin, die keine Anstalten macht, danach zu greifen.
    »Er hat sie wohl in Auftrag gegeben.«
    »Wem?«
    »Weiß ich nicht. Es waren keine weiteren Informationen dabei, obwohl es die gegeben haben muss. Von Greta existiert übrigens eine ähnliche Serie, auch über Jahre hinweg erstellt.«
    »Weiß sie davon?«
    »Glaube ich nicht. Vor seiner Einlieferung hat Vater eine Menge privater Unterlagen vernichtet. Ich habe säckeweise Papier, das durch den Zerkleinerer gegangen ist, im Flur gefunden. Fast schon ein Wunder, dass es Momente gegeben haben muss, in denen er noch handlungsfähig war.«
    Marta lässt sich auf einen der Sessel fallen. Richard hatte jemanden auf sie angesetzt, sie beobachten lassen, ihre Aufenthaltsorte ausspioniert. Das Gefühl, ihn nicht abschütteln zu können, war demnach nicht rein paranoid gewesen. Weder bei ihr noch bei Greta. Richard war da, oder jemand, der in seinem Auftrag handelte, was fast auf das Gleiche rauskommt. Nochmals schiebt sie die Aufnahmen durch ihre Finger, schüttelt heftig den Kopf. »Gruselig.«
    »Ich dachte, du solltest das wissen«, sagt Sophia sanft, »es kann alles Mögliche bedeuten. Vielleicht erfahren wir mehr, wenn wir das alles hier geordnet haben.« Sophia lässt ihren Arm durch den
Raum fliegen, Marta hebt zweifelnd die Augenbrauen. »Ich für meinen Teil bin allenfalls bereit, das Zeug unbesehen in Müllsäcke zu stopfen.«
    Sophia zupft sie am Hemdkragen, tritt dicht vor sie hin und flüstert: »Komm schon, gib zu, dass der Gedanke etwas hat, Richards Papiere zu sichten und aus den Stücken, die dem Aktenvernichter entgangen sind, Puzzleteile von heimlichen Geschichten herauszufiltern.«
    »Lieber nicht.«
    Was stöberst du in meinem Hirn herum, Schwester, drehst und wendest meine Gedanken, bis ich nicht mehr weiß, wo rechts und links ist?
    Marta stößt den Stapel mit den Fotos auf dem Tisch zu einem sauberen Block zusammen, nimmt sich den Aktenordner und schiebt die Resultate von Richards Spionageauftrag, oder was auch immer das gewesen sein sollte, in die Plastikhülle zurück. Kranker Irrer, denkt sie und lügt: »Ich habe gehofft, er hätte mich irgendwann einfach vergessen.«
    »Sieht nicht so aus.«
    Man könnte eine Firma anheuern: Schmitt und Söhne, professionelle Haushaltsauflösungen, die vernünftige Alternative zu Benzinkanister und Streichholz.
    Was ist mit den Teilen des Puzzles, die sich in deinem Besitz befinden, Sophia? Du willst nicht über euer Verhältnis sprechen, aber mit mir seine Geheimnisse erforschen?
    Erinnerst du dich an mein Lied von der Hyäne, die zu viel
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