Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
finden Sie nicht? Klein und große Ohren …«
    Â»Außerdem ist er der Einzige, der sich im Dunkeln zurechtfindet«, erklärte Martin. »Bei jedem Stromausfall trollt er munter durch die Gegend, während wir anderen hilflos über die eigenen Füße stolpern.«
    Â»Gibt es denn hier öfter Stromausfälle?«
    Â»Hin und wieder. Das Haus hat einen eigenen Generator.«
    Auf einem Tisch beim Fenster stand ein elektrischer Wasserkocher, darüber waren auf Borden neben Tee und Kaffee Henkelbecher aufgereiht. Ellen erkundigte sich, ob jemand etwas trinken wolle; Denis Padfield bat um Tee. Sie nahm zwei Becher vom Regal.
    Â»Nicht den gestreiften«, sagte Bill Farmborough. »Das ist der von Redmond. Der regt sich wahnsinnig auf, wenn jemand seinen Becher benutzt.«
    Ellen stellte den gestreiften Becher zurück und nahm einen anderen. Sie waren alle nett und freundlich, dachte sie, aber sie konnte auch verstehen, dass sie für Andrée Fournier manchmal schwer zu ertragen waren. Sie selbst war diese flapsigen Pennälerfrotzeleien gewöhnt; ihr Bruder war vier Jahre jünger als sie.
    Sie blickte auf, als ein Mann mittleren Alters ins Zimmer trat. Er war mittelgroß, ging aber so gekrümmt, dass sein Blick nicht nach oben reichte. Das grau melierte Haar, das eigentlich einen Schnitt gebraucht hätte, lichtete sich am Scheitel, und seine Brille war eines der hässlichen Standardmodelle, die der National Health Service kostenfrei stellte. Auch seiner Kleidung nach zu urteilen – er trug ein nicht mehr ganz sauberes Hemd unter einer ausgebeulten braunen Cordjacke mit zerschlissenen Lederbesätzen an den Ellbogen – schien er wenig auf sein Äußeres zu geben.
    Â»Hallo, Redmond«, begrüßte ihn Toby Dorner, aber er reagierte gar nicht. Ohne rechts und links zu blicken, ging er auf den Tisch mit dem Wasserkocher zu, nahm den gestreiften Becher vom Regal und löffelte Tee hinein. Als das Wasser kochte, goss er es in den Becher und rührte kräftig um.
    Â»Guten Morgen, Dr. Redmond«, sagte Ellen und stellte sich vor. Er stand nur einen Schritt von ihr entfernt, aber er sah sie nicht einmal an. Als wäre sie unsichtbar. Als wäre sie gar nicht vorhanden.
    Mit seinem Teebecher in der Hand drehte er sich um und ging wieder hinaus. »War nett, mit Ihnen zu reden, Redmond!«, rief Padfield ihm nach, und die anderen lachten unterdrückt.
    Â»Oh, Pharoah«, sagte Bill Farmborough plötzlich. »Schon zurück? Ich dachte, wir würden Sie vor Ende der Woche nicht zu sehen bekommen.« Alle wurden still, so schlagartig, als wäre ein Schalter umgelegt worden.
    Es war Ellens erste Begegnung mit Marcus Pharoah, dem Direktor von Gildersleve Hall. Er sah beeindruckend aus, groß, breitschultrig und elegant in einem fabelhaft geschnittenen anthrazitgrauen Anzug. Der Kragen seines weißen Hemds knisterte vor Frische, und die in gedämpften Rost- und Goldtönen gestreifte Seidenkrawatte war angemessen dezent. Ein attraktives, ebenmäßiges Gesicht, schwarzes, von ersten weißen Fäden durchzogenes Haar. Er bewegte sich mit der lockeren Selbstverständlichkeit eines Mannes, der es gewöhnt ist, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    Â»Guten Morgen, meine Herren. Und guten Morgen, meine Dame.« Der Blick seiner dunklen Augen richtete sich auf Ellen. »Miss Kingsley?«
    Er hieß sie in Gildersleve willkommen und entschuldigte sich dafür, dass er nicht früher Gelegenheit gehabt hatte, sie zu begrüßen. »Hat meine Truppe Sie gut aufgenommen, Miss Kingsley?«
    Â»Danke, ja, sehr gut.«
    Â»Das freut mich. Erlauben Sie mir, Ihnen kurz zu skizzieren, was mir vorschwebte, als ich hier die Leitung übernahm. Ich wollte eine Forschungseinrichtung der disziplinenübergreifenden Zusammenarbeit ins Leben rufen. Mit Biochemikern, Molekularbiologen, Physikern, Chemikern, Kristallografen – vielleicht auch ein, zwei Mathematikern. Ich wollte eine Umgebung schaffen, in der neue Ideen gedeihen, sich miteinander verbinden und offen aufgenommen werden können. Andere Institute – das King’s und das Cavendish zum Beispiel – streben Ähnliches an, aber ich bilde mir gern ein, dass es uns besser gelungen ist. Einige unserer Gäste haben mir erklärt, sie hielten die Atmosphäre in Gildersleve Hall für umtriebig , aber mir gefällt das. Ich kann mir nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher