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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter
Autoren: Judith Lennox
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essen.«
    Â»Nur für die Männer?«
    Â»Frauen haben zum Speisesaal keinen Zutritt. Das ist Tradition. Die anderen essen dort, wenn wir hier Gäste haben.«
    Andrée Fourniers Stimme blieb während des ganzen Gesprächs merkwürdig klanglos, was Ellen der Schwierigkeit zuschrieb, sich in einer fremden Sprache auszudrücken. »Aus welcher Gegend Frankreichs kommen Sie?«, fragte sie.
    Ein Hauch von Lebendigkeit bewegte das vollendet gemeißelte Gesicht. »Aus Paris. Kennen Sie die Stadt?«
    Â»Nur oberflächlich. Ich war im letzten Jahr für eine Woche dort. Über die Universität. Es war ein Erlebnis – die Stadt ist hinreißend! Ich kann mir vorstellen, dass sie Ihnen fehlt.«
    Â»O ja«, bestätigte Andrée Fournier und schaute auf ihre Uhr. »Schon Viertel vor neun. Wir sollten anfangen.«
    Um eins gingen Ellen und Andrée in den Aufenthaltsraum hinunter, dessen großes Erkerfenster auf den gekiesten Hof vor dem Haus hinausblickte. Er hatte einen elektrisch beheizten offenen Kamin und war mit Tischen und Sesseln sowie einigen ziemlich harten Stühlen und Hockern möbliert. Besonders ordentlich war es hier nicht gerade, auf den Tischen leisteten überquellende Aschenbecher, Apfelreste und leere Kekspackungen vergessenen Stiften, Zeitungen und Fachjournalen Gesellschaft. Der ganze Raum roch nach kaltem Rauch und Pulverkaffee. Auf einem Grammofon lief ein Song von Rosemary Clooney.
    Andrée setzte sich auf einen Hocker und packte ihre belegten Brote aus. Ellen nahm den Stuhl neben ihr.
    Â»Ah, unser Neuzugang. Willkommen in unserer fröhlichen Runde.« Ein stattlicher Mann mit rotem Gesicht legte seine Zeitung weg und kam quer durch den Raum auf Ellen zu. »Farmborough, Bill Farmborough. Herzlich willkommen in Gildersleve Hall, Miss Kingsley.«
    Â»Danke.« Sie gab ihm die Hand.
    Â»Darf ich Sie mit den anderen bekannt machen? Der Einfaltspinsel dort drüben in der Ecke ist Denis Padfield.« Ein Mann mit beginnender Glatze in einem Fischgrätjackett brummte und winkte kurz herüber. »Finch haben Sie ja schon kennengelernt. Und das ist Toby Dorner. Stell das fürchterliche Gebräu weg, das du mal wieder verbrochen hast, Troll, und sag schön guten Tag.«
    Toby Dorner war jung, klein und schmächtig, hatte kurzes lockiges Haar und abstehende Ohren und wirkte insgesamt tatsächlich wie ein verschmitzter kleiner Kobold. »Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Miss Kingsley.« Er stand auf und reichte ihr die Hand. »Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.« Er sprach mit kaum merklichem Akzent.
    Ein Mann schaute suchend zur Tür herein. Ellen erkannte ihn, Alec Hunter, der Mann, dem sie heute schon im Treppenhaus begegnet war.
    Â»Komm rein, Jock«, forderte Bill Farmborough ihn auf, »und lass dich mit Miss Kingsley bekannt machen.«
    Hunter stellte sich Ellen vor, aber er wirkte zerstreut, als er sie begrüßte, offenbar war er in Gedanken woanders. Er wedelte kurz mit den Papieren in seiner Hand. »Kaminski wollte das haben. Weiß jemand, wo er steckt?«
    Â»Ich habe ihn zuletzt auf dem Weg in den Turm gesehen.«
    Â»Danke. Bitte entschuldigen Sie mich, Miss Kingsley.« Und schon war Hunter wieder verschwunden, doch die Erinnerung an seine Erscheinung – hohe Stirn, leicht schräg stehende tiefblaue Augen, ein fester, wohlgeformter Mund, eine schmale, gerade Nase und leicht zerrauftes dunkles Haar – bestand fort wie der Nachglanz eines hellen Lichts.
    Es folgte eine Diskussion über ihre Unterkunft. Ellen habe Glück gehabt, bei Mrs. Bryant mieten zu können, sagte jemand, und von allen Seiten wurden Schauergeschichten über die Zimmersuche in der Gegend zum Besten gegeben.
    Â»Troll ist unheimlich sportlich«, frotzelte Martin. »Er radelt bei jedem Wetter. Ich fahre lieber mit dem Auto, faul wie ich bin.«
    Â»Von wegen Auto. Eine Rostlaube ist das«, spottete Denis Padfield. »Bei Regen fällt jedes Mal unweigerlich irgendein Teil ab.«
    Martin knüllte ein Zeitungsblatt zu einer Kugel zusammen und warf sie nach Padfield. Andrée stand auf und ging aus dem Zimmer.
    Padfield seufzte. »Du hast’s wieder mal geschafft, Martin. Du fällst ihr auf die Nerven, und wir müssen es dann ausbaden.«
    Â»Warum sagen alle Troll zu Ihnen, Dr. Dorner?«, fragte Ellen.
    Â»Na, er sieht doch aus wie ein Troll,
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