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An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)
Autoren: Antje Ippensen
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er, noch immer völlig mystifiziert von der Teezeremonie. Ihm war durchaus klar, dass er gesprochen hatte, ohne angeredet worden zu sein, aber er wusste auch, dass Grenzüberschreitungen oftmals sinnvoll sein konnten. Genau dadurch hatte er sich schließlich ausgezeichnet; er hatte Buzz angesprochen, obwohl dieser sich zunächst äußerst abweisend gezeigt hatte. Um diesen Job zu bekommen. Ich will ihn unbedingt. Die ZSW ist das, was ich immer wollte. Dabei sein. Ich WILL. Wenn ich die Lage falsch eingeschätzt habe, dann werden sie mich hier unten eliminieren. Vielleicht ende ich in einem dieser entzückenden Gläser, oder zumindest ein Teil von mir. In Spiritus eingelegt.
    Frau S. hob die Porzellantasse an ihren breiten Mund – und spreizte den kleinen Finger ab.
    „Du siehst wie ein Charlie aus. Diesen Namen sollst du fortan tragen.“ Sie schlürfte damenhaft, und dann setzte sie die Teetasse mit einem harten Ruck nieder.
    „Diese Katze muss gefunden werden. Herr D. hat sie uns gegenüber nie erwähnt – aber es passt zu ihm, sich ein ungewöhnliches Tier zu halten. Eine Königin der Zeit. – Und die beiden Personen, Buzz?“
    Das kam fast zu plötzlich für den Angesprochenen. Dieser sah aus, als hätte er eher damit gerechnet, seinen Schützling töten zu müssen, und jetzt zuckte er zusammen und sprudelte dann hastig hervor: „Eine ist tot. Sie stammte aus dem LABOR – aber all ihre Spuren sind verwischt. Die andere – beides Frauen – scheint Fuß gefasst zu haben in der neuen Augenwelt. Man hat sie mehrmals gesehen. Sollen wir dranbleiben, herausfinden, wo sie arbeitet, welche Vergangenheit sie hat und all das?“
    Frau S. nickte knapp, sah Buzz aber nicht an. Ihr sonderbarer Echsenblick haftete noch immer auf dem Neuling, der es gewagt hatte, ohne Aufforderung zu sprechen, und der nun den Namen Charlie erhalten hatte.
    Dem neuen Charlie brannten weitere Bemerkungen auf der Zunge, aber er beherrschte sich. Eine Grenzüberschreitung war genug. Er wartete ab, so kühl er konnte. Unter seinen Achseln bildeten sich Schweißflecken, aber sein Superdeo-Implantat attackierte sie schnell und effektiv. Es war der letzte Schrei, eins von denen, die sich selbsttätig verstärkten, sobald man heftiger transpirierte. Charlie zweifelte nicht daran, dass diese uralte Frau eine äußerst feine Nase hatte. Nach allem, was er über die ZSW wusste – was nicht gerade viel war – gab es kaum ein medizinisches Problem, mit dem die Organisation nicht fertigwurde, altersbedingtes Nachlassen der Sinnesschärfe eingeschlossen. Frau S. trug weder einen Augen-Comp noch einen Hörchip. Tief unter der Erde war man den Errungenschaften der „oberflächlichen“ Augenwelt weit voraus.
    „Du bist also bereit, uns zu dienen, Charlie, mein Junge?“, fragte die alte, ehrwürdige Dame.
    „Von ganzem Herzen, Frau S.“, erwiderte er inbrünstig.
    „Du bist also bereit, für uns zu töten, Charlie, mein Junge?“
    „Das bin ich“, antwortete er ohne zu zögern.
    Sie nahm ein kleines Messingglöckchen auf und läutete damit. Dann trank sie einen weiteren Schluck Tee. Nach wie vor standen die beiden jungen Männer gerade aufgerichtet vor ihr, und die zwei einladenden Sessel, die dem Sofa gegenüber standen – an der anderen Seite des Marmortischchens – blieben unberührt.
    „Und wenn noch mehr erforderlich wäre, als es die simple Auslöschung eines Menschenlebens ist, Charlie, mein Junge?“ Die Stimme war energisch und fordernd.
    „Frau S.“, begann er und straffte sich noch mehr, „wenn die ZSW es mir befiehlt, tue ich alles.“
    Sie sah ihn noch durchdringender an; Lachfältchen bildeten sich um ihre Augen. „Ein Kind entführen?“, fragte sie. „Eine Frau vergewaltigen? Eine ganze Familie foltern, vor den Augen der jeweiligen Angehörigen?“
    „Alles.“
    Auf ihr Läuten betrat nun ein grobgesichtiger, kräftiger Mann in einem schwarzen Anzug mit Frackschößen den Raum – er war aus einem dieser lautlos zurückgleitenden Wandeingänge gekommen – und er trug einen Käfig mit einem darin herumzappelnden weißen Zwergkaninchen. Er stellte den Käfig auf dem Marmortischchen ab. Wieder fühlte Charlie eine leichte Übelkeit im Magen. Hatte er überzeugend genug gewirkt oder was kam jetzt, was hatte das zu bedeuten?
    „Die ZSW wünschte, sie könnte solche Maßnahmen weit von sich weisen“, sagte die alte Dame, und ihre Stimme klang auf einmal müde, ja erschöpft. „Früher konnten wir es. Aber die Zielperson
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