Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)
Autoren: Antje Ippensen
Vom Netzwerk:
hielt, rekrutiert zu werden, würde die Vorsitzende der ZSW – die ehrwürdige alte Dame – ihm einen verleihen: kurz und prägnant, mit nicht mehr als zwei Silben.
    Der Neue bemerkte, dass auch Buzz, sein Mentor, ein wenig unruhig wurde, je tiefer sie hinabsausten. Er, der bislang ein Musterbeispiel an selbstsicherer Arroganz gewesen war. Mit der rechten Hand fuhr er sich durch seine braunen, sorgfältig gestutzten Locken, und er trat von einem Fuß auf den anderen.
    „Wir haben gute Karten“, sagte Buzz mehr zu sich selbst. „Haben immerhin ein paar wertvolle Informationen sammeln können.“
    „Ja, aber immer noch nichts über die eigentliche Zielperson“, erinnerte ihn der Neue, woraufhin Buzz ihn zornig anfunkelte. „Stimmt, aber das war auch nicht zu erwarten! Nicht bei einem derartig schwierigen Ziel, das mit allen Wassern gewaschen ist!“
    „Und zumal die Spur kalt ist“, pflichtete ihm der Neue rasch bei. „Immerhin ist ein Jahr vergangen …“
    „Genau.“
    Mit einem kaum wahrnehmbaren Rucken kam der große, schmucklose Lift zum Stehen und öffnete sich zu einem mit Stahlblech ausgekleideten, schier endlosen Tunnel.
    Buzz und der Neue zeigten der Wache ihre in die Handflächen implantierten Ausweise, und man ließ sie passieren. Schweigend folgte der Neue seinem ebenfalls stummen Mentor. Sie durchquerten die Verwaltungsabteilung und bogen in einen kleinen Seitengang ein – jetzt befanden sie sich schon ganz in der Nähe der Versuchsstationen. Ab und zu hörte der Neue grunzende oder krächzende Geräusche, die jedoch nicht menschlich klangen. Absolute Schallabdichtung schien in diesen Bereichen nicht vorhanden zu sein. Das wunderte ihn etwas (er war noch nie hier unten gewesen), doch er schob es auf die noch nicht fertiggestellte Einrichtung der neuen Räumlichkeiten. Andererseits kam sowieso niemals ein Fremder hierher … Vermutlich erübrigten sich deshalb allzu übertriebene Vorsichtsmaßnahmen.
    Vor einer seltsam altertümlichen, mit Eichenholz getäfelten halbrunden Tür blieb Buzz unvermittelt stehen.
    „Da sind wir“, sagte er mit gedämpfter Stimme. „Also, reiß dich zusammen. Du bist ein fixer Junge und wirst schon alles richtig machen. Denk daran: Deine Karriere hängt davon ab. Und meine übrigens auch, ganz nebenbei. – Wenn sie dir etwas anbietet, hast du gewonnen.“
    „Etwas anbietet?“, wiederholte der Neuling verwirrt. „Du meinst, einen neuen Auftrag oder so?“
    Aber Buzz schüttelte nur ungeduldig den Kopf und verdrehte die Augen. Zum hundertfünfzigsten Male sagte er. „Sei respektvoll!“
    Buzz zupfte seinen modisch weiten Blazer zurecht, und dann trat er ein, ohne zu klopfen; der Neue folgte ihm auf dem Fuße, und plötzlich fiel ihm ein, dass er nicht wusste, wie man die alte Dame anredete. Aber vermutlich wird sie mich ohnehin nicht auffordern, etwas zu sagen …
    Sie kamen in ein Vorzimmer, das ausgesprochen düster möbliert war und von einer dazu passenden Frau mittleren Alters bewohnt wurde, einer bleichen, vertrocknet aussehenden Sekretärin. Niemand sagte ein Wort, auch sie nicht; mit einem knappen Kopfnicken beorderte sie die beiden Männer zur Wand neben dem Bücherregal, drückte einen Summer und die Wand glitt beiseite.
    Jetzt betraten sie das Heiligtum der Vorsitzenden.
    Augenblicklich konnte der Neue seine Schritte nicht mehr hören, denn seine Füße versanken fast in einem knöchelhohen Plüschteppich. Der Raum war vielleicht 50 qm groß, wirkte aber kleiner, da er vollgestopft war mit Nippes und Zierrat, mit Schmuckmöbeln, riesigen Vasen und Regalen bis zur Decke, Regalen, in denen sich eine unglaubliche, bizarre Anhäufung von Kitsch drängte. Von Porzellanhündchen über Potpourri-Schalen bis hin zu Plastikgartenzwergen und Rauschgoldengeln war alles vorhanden. Doch als der Neuling genauer hinschaute, bemerkte er die mit Spiritus und … anderen Dingen gefüllten Gefäße, die sich in sauberer Regelmäßigkeit mit den Kitschstücken abwechselten, als seien auch sie zur Verschönerung des Raumes gedacht. Er sah Affenembryos, Teile von Innereien (ob von Menschen oder Tieren, wusste er nicht zu sagen), menschliche Föten in verschiedenen Entwicklungsstadien. Aus einem besonders großen Glas heraus glotzten ihn gleich mehrere sorgsam präparierte Augäpfel an. Ein leiser Schauder rann ihm über das Rückgrat, aber er verzog keine Miene, sondern näherte sich an der Seite von Buzz dem Zentrum des Raumes, einer Sitzgruppe aus uralten, geblümten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher