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An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)
Autoren: Antje Ippensen
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verträumt, beinahe froh.
    Besorgt schaute Oi immer wieder zu der kleinen Outländerin hinüber. Endlich, als es schon dämmerte, kam Bonea. Sunny schnürte in Richtung Garage, jetzt nur noch ein grauer Schemen, der mit den Gräsern und Sträuchern verschmolz. Bonea sah ernst aus, und ihre Stimme klang – alt. „Jetzt haben wir ihn also gefunden, oder vielmehr sie. Jemanden, der mehr weiß.“
    „Die Katze“, stellte Oi fest.
    „Ja. Sie hat mir alles erklärt. Was hier passiert, was nicht stimmt. Und wer euch regiert, Two Vocals. Und sie hat mir gesagt, was wir tun müssen.“
    „Tun müssen?“, wiederholte Oi.
    „Sunny wusste, dass wir kommen, old man. Sie fragt, ob wir bereit sind.“
    „Bereit wozu?“, fragte Oi immer verzweifelter, während Faruk lächelte, seine kleinen spitzen Zähne zeigte und eifrig nickte. Dann sprang er vom Tisch und simulierte einen kurzen, aber heftigen Boxkampf.
    „Ja genau!“, lachte Bonea. „Bereit zum Kampf, Two Vocals. Darum geht es.“
    Oi prallte unwillkürlich zurück, schämte sich und murmelte: „Aber warum Kampf? Was können wir drei denn dadurch erreichen?“
    „Wir müssen ein schlimmes, ein grauenhaftes Verbrechen verhindern. Müssen verhindern, dass alles zunichte gemacht wird, was gut ist in der Augenwelt.“
    Oi versuchte spöttisch zu lachen. Es misslang. „Du, ich und ein Junge, der nichts hören kann?“
    Faruk hatte das mitbekommen und schnitt ein finsteres Gesicht. Er näherte sich und schrieb wieder etwas auf, was er dem Hünen mit zornig funkelnden Augen unter die Nase hielt. „JA! Wir werden d. Welt retten!“, buchstabierte Oi mühsam im schwindenden Licht.
    „Zu viert“, nickte Bonea. „Sunny wird bei uns sein. Sie führt uns …“
    „Aber wohin denn nur? Zur Regierung?“ Zauberkatze hin oder her, Oi spürte eine panische Angst in sich aufsteigen bei dem Gedanken, seine Kinder würden sich in Gefahren stürzen, die er nicht einmal andeutungsweise erfassen konnte.
    „Nein. Das wäre jetzt sinnlos. Oh, ich weiß, es ist schwer zu begreifen, Two Vocals, aber du musst es versuchen, du musst. Denn siehst du, ich habe keinen Zweifel, Sunny hat die Wahrheit geschnurrt. Und außerdem – du hast auch keine bessere Idee, was sonst aus uns werden soll, oder?“
    Sie kletterte auf den Tisch und schaute ihn eindringlich an. Ihr schmales Gesicht war ganz dicht vor seinem. „Nein“, fügte sie hinzu, „die hast du nicht. Wir sind Ausgestoßene. Sollen wir stehlen, uns verstecken, sonst nichts tun? Abwarten, bis meine Leute über die Mauer kommen? Was, meinst du, wird hier losbrechen, wenn sie es schaffen?“
    Darauf wusste er nichts zu sagen.
    „Die Hölle“, sagte Bonea mit Nachdruck. „Die Hölle wird losbrechen, alles wird zum Teufel gehen. Höre, Two Vocals, ich vertraue der Katze Sunny, und du musst MIR vertrauen. – Und jetzt, bitte, könntest du mal ein Feuer machen. Wir feiern ein Fest. Wir werden essen und uns stärken. Und wir werden tanzen. Ich brauche eine Trommel.“
    Hatte sie am Ende Fieber, redete sie wirres Zeug? Aber nein, sie sprach vollkommen klar und ruhig, und obwohl er ahnte, dass sie ihm einiges verschwieg, fragte er nicht weiter. Du musst mir vertrauen, hatte sie gesagt. Die Worte hallten in ihm wider.
    Plötzlich umarmte sie ihn, ergriff seine Hand, und er spürte einen eckigen kleinen Gegenstand: ihr altmodisches Gasfeuerzeug.
    Gehorsam stand der Hüne auf und machte sich daran, ihre Anweisungen auszuführen.
    *
    Ein gewaltiger Leopardenvollmond ging auf über dem Horizont, gerade als die Vorbereitungen getroffen waren. Oi beschäftigte sich eifrig damit, das Festmahl zuzubereiten: Sein großes Gesicht glühte im Widerschein des lustig prasselnden Feuers, und er grübelte nicht länger. Zu glücklich war er über die reichliche Nahrung, die Sunny herbeigetragen hatte, wenn auch einiges davon aus seltsamen Zutaten bestand: Es gab Mäuse- und Rattenbraten, aber auch ein junges Huhn, eine Wachtel und eine Taube. Faruk förderte ein paar Scheiben Dauertoast aus den Taschen seines Gewandes und steuerte sogar Gewürze bei: Quendel und grobes Salz. Bonea legte den Apfel und die halbe Fleischpastete auf den Tisch. Genug für sie alle. Als Getränk stand Wasser zur Verfügung: Sunny führte sie zu einem klaren Bächlein am Rand des Gartens, das ein paar Meter oberirdisch floss, ehe es wieder in den Tiefen der Erde verschwand.
    Und es wurde tatsächlich ein Festmahl, genau wie Bonea es gesagt hatte: eine fröhliche, ausgelassene
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