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An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)
Autoren: Antje Ippensen
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geschworen hat? Ich kann zwar seine Gefühle nicht lesen, aber dennoch kenne ich den Grund: der köstliche Geschmack der Macht.
    „Wenn es irgend möglich ist, ersparen Sie mir bitte diese Außenmission“, drang Chandras Stimme durch die Nebel, die ihr waches Bewusstsein einzuhüllen begannen.
     
    Sie reagierte nicht, und Chandra dachte über den HÖLLENTAG nach, den er heute gehabt hatte. Eigentlich brauchte er eine höhere Dosis „Beruhigung“ aus der Empathiemaschine für seine Angestellten, und er überlegte kurz, ob er B.C. darum bitten sollte, verwarf die Idee jedoch wieder.
    Kaum verständlich murmelte sie: „Komisch … manchmal denke ich, ich habe irgendetwas Wichtiges vergessen. Was kann es nur sein? Einmal ist es eine Kleinigkeit, dann wieder etwas von riesenhafter Größe – aber ich SEHE es einfach nicht, es ist immer in meinem toten Winkel.
    „Ich weiß nicht, was das sein könnte“, erwiderte er achselzuckend.
    „Siehst du? Genau das meine ich.“
    Ein säuerlicher, abgestandener Geruch nach Sinnlosigkeit durchzog die Atmosphäre im Wohnbereich der Obeliskenspitze, und als Chandra dies nicht länger ertrug, begann er über all die Leistungen zu sprechen, die sie beide gemeinsam vollbracht hatten, all die großartigen Veränderungen und Neuerungen. Insgesamt gesehen war die Empathiemaschine nur EIN Hilfsmittel; das weitaus meiste war durch ganz gewöhnliche Arbeit entstanden, „… gesteuert und inspiriert von Ihnen. Die Augenwelt verdankt Ihnen so viel, Generalin! Ihre Erfindungskraft, Ihr Geist haben uns allen geholfen. Nehmen wir nur als Beispiel die Solarophose. Das Verfahren steckte noch in den Kinderschuhen, als Sie die Regierung übernahmen, und dann! Zack, in wenigen Tagen waren die ersten Energiesammelsatelliten einsatzbereit, und nur so konnten wir die Armut, den Hunger und das Elend in der Stadt besiegen, Produktionsstätten einsparen und mehr Wohnraum schaffen – oder nehmen wir die Umweltkontrolle als weiteres Beispiel!“
    Er bekam glänzende Augen, während er sich die glorreiche Aufbruchszeit ins Gedächtnis zurückrief. Mehr Freizeit für ALLE und trotzdem keine Arbeitslosigkeit mehr. Gar keine mehr! Und sie war einst der FLUCH der Augenwelt gewesen. Produzieren musste niemand mehr etwas, die benötigten Waren wurden sämtlich in den vollautomatisierten Solarophose-Fabriken aus Sonnenenergie hergestellt. Es gab also nur noch Dienstleistungen und die kreativen Berufe. B.C. wusste, dass sich die Menschen in ihrer Freizeit sinnvoll beschäftigen mussten, und so standen vor allem intelligente, gute Computerspiele, aber auch die klassischen Formen von Kunst, Kultur, Sport und Spiel hoch im Kurs. Die Börse war nur noch ein harmloses Geschicklichkeitsspiel mit eingebautem Sicherheitslimit, damit niemand der Sucht anheimfiel … niemand stürzte mehr ab in Armut und Elend, noch nicht einmal aus eigenem Verschulden.
    Das Kastengefälle verschwand in Riesenschritten, seitdem die Vororte schöner und grüner geworden waren, die Innenstadt Luxus und Ästhetik für jeden bot und die Slums nicht mehr existierten – nun, seitdem waren selbst die Wells in ihren schicken Vorvororten keine Zielscheiben mehr für Hass und Neid. – Die furchterregenden Bürokraten des AMTES hatten sich alle mehr oder weniger freiwillig (mit ein wenig Nachhilfe durch B.C.) in Freiwillige verwandelt.
    Was einst schlecht gewesen war, hatte Metamorphosen zum Guten durchlaufen. Und B.C. hielt die zahlreichen Fäden, die Zügel fest in der Hand.
    Chandra sprach sich nicht nur in heilsames Feuer, sondern schaffte es auch, allein durch die Kraft seiner Rede einen Duft von Rosmarin im Raum zu erzeugen … überrascht hielt er inne, und nun wurde er auch gewahr, dass von B.C. keine Reaktion mehr kam, schon seit geraumer Weile nicht mehr gekommen war.
    Schlaf! Der Schlaf hatte sie überwältigt, ohne – Hilfe. Was für ein Glück! Chandra brach mitten im Satz ab und lauschte auf ihre regelmäßigen Atemzüge. Sie saß jedoch noch genauso da wie zuvor, nicht einmal ihr Kopf war zur Seite oder zur Lehne hin gesunken.
    Auf Zehenspitzen schlich er zu ihr und nahm ihr unendlich behutsam die Sonnenbrille ab. Ja, ihre Augen waren geschlossen. Erstaunlich! Das war noch nie passiert. Sanft brachte er sie in eine bequemere Position, legte ihre Beine auf das Sofa, ließ ihren Kopf in ein silberglänzendes Kissen sinken und deckte sie zu.
    Er freute sich, denn dem Wesen, das ihr sonst beim Einschlafen half, traute er nicht so
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