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An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)
Autoren: Antje Ippensen
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ist zu gefährlich. Sie muss gestoppt werden, um jeden Preis. – Charlie, mein Junge, du hast bereits bewiesen, dass du über Befehle hinaus denken und agieren kannst; Hauptsache ist aber, dass du niemals Befehlen zuwiderhandelst oder sie nur abgeschwächt, gemindert ausführst. Merke dir das.“
    Sie öffnete den Käfig; mit einem geschickten Griff packte sie das Kaninchen im Nackenfell. Es quiekte leise, als es emporgezogen wurde, aber dieses Geräusch wurde sehr plötzlich abgeschnitten – im wahrsten Sinne des Wortes. Frau S. fuhr ihm einfach mit ihrem vergilbten Zeigefinger über die Kehle, und rotes Blut spritzte über den Teetisch. – Ein Rasierklingen-Implantat! Oder etwas ähnlich Scharfes, dachte Charlie und starrte wie hypnotisiert auf das makabre Schauspiel.
    Die uralten Finger hielten den Kadaver sehr geschickt, so dass weder die Kleidung von Frau S. noch die Sitzmöbel befleckt wurden. Dann öffneten sie die Bauchdecke des Kaninchens und holten mit unglaublich gewandten Bewegungen das glitschig-glänzende Herz und die Leber heraus. – Sie hat ihr gesamtes Sezierwerkzeug in ihren Händen, dachte Charlie. Das ist wirklich überaus praktisch.
    Aus dem Augenwinkel registrierte er, dass Buzz an solche oder ähnliche Demonstrationen gewöhnt sein musste, denn sein Mentor stand mit ruhig vor der Brust verschränkten Armen da.
    Sujetta platzierte die beiden Innereien des Kaninchens sehr ordentlich auf einem silbernen Teetablett, und dann sah sie Charlie an. Erwartungsvoll. Offenbar sollte er etwas sagen, obwohl sie ihm keine direkte Frage gestellt hatte. Plötzlich begriff er.
    „Ich verstehe“, sagte er heiser, aber fest.
    Frau S., die Erste Vorsitzende der ZSW, entspannte sich und lächelte. Sie beugte sich vor und griff mit blutverschmierten Fingern in eine Silberdose, deren Inhalt ebenfalls in Blut schwamm.
    „Einen Keks, mein Junge?“
    *
    Als die Tür hinter ihnen zugefallen war, stieß Buzz hörbar den Atem aus. Dann schlug er Charlie kameradschaftlich-herzhaft auf die Schulter.
    „Willkommen in der Argentum-Garde, Charlie, mein Junge!“ Er lachte, und der Neue stimmte ein. Er fragte sich, ob Herz und Leber des Kaninchens zum Regal-Schmuck werden würden. – Wahrscheinlich.

Abschnitt D
     
    Diese Geräusche kannte Oi. Sie kamen aus einem Gebäude zu seiner Linken, der Disco „Sometimes“, und er zog unwillkürlich den Kopf ein. Er spürte, wie die magere Hand seiner kleinen Freundin fester zugriff.
    „Wir sind near to the city“, flüsterte er, „alles ist okay.“ Sie gab ein zufriedenes Brummen von sich.
    Oi strebte rascher voran; sie passierten das „Sometimes“ und bewegten sich nun auf die Inneren Zonen der Augenwelt zu. – Die Erinnerung an den Moment, als Oi seine Arbeit verlor, war schmachvoll und peinlich. Er wusste noch ganz genau, wie es abgelaufen war: Er als Rausschmeißer und Türsteher hatte sich an einem wichtigen Gast vergriffen. Oi sah den finsteren kleinen Mann, der muskulös und noch dazu von Leibwächtern beschützt war, deutlich vor sich. Die Türsteher aller Schichten (von morgens bis tief in die Nacht, denn das „Sometimes“ hatte 24 Stunden lang geöffnet) hatten sich natürlich sämtliche Pic-Porträts derjenigen Gäste einprägen müssen, die unter keinen Umständen zurückgewiesen werden durften. Und während der letzten Monate hatte Oi auch niemals ein Problem damit gehabt. Aber dieser finster blickende Zwerg … sinnlos zu leugnen, dass ihm der von Anfang an höchst unsympathisch gewesen war – doch der Grund, warum er ihn dann am Kragen gepackt hatte, war ganz konkret gewesen. Dieser Halbweltler (oder gehörte er sogar der schlammigen Unterwelt an?) hatte sich mit einem dreckigen Lachen an einem der Barmädchen vergriffen, das gerade aus der Disco kam, um etwas Luft zu schöpfen. Und zwar hatte der Kerl sie nicht etwa nur belästigt oder flüchtig angetatscht, sondern Oi konnte sehen, wie seine grobe Hand Druckstellen in die Schulter und in den Oberarm der jungen Frau trieb … sie hatte einen zitternden Laut der Qual ausgestoßen und war kreidebleich geworden; im nächsten Moment riss Mister Wichtig sie auch schon mit einem hässlichen Lachen herum, so dass die Nähte ihres Satinkleides krachten. – Und da hatte Oi rot gesehen, genau in diesem Moment.
    Er hatte dem kompakten Zwerg noch nicht einmal richtig weh getan, aber selbstverständlich war sofort eine heftige Schlägerei entbrannt, vier, fünf Leibwächter hatten sich an den hünenhaften
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