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An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)
Autoren: Antje Ippensen
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Türsteher gehängt und ihn die Treppe ins „Sometimes“ hinuntergestoßen, und während er sich wehrte, waren eine Menge Mobiliar und Deko und auch sein Augen-Comp zu Bruch gegangen.
    Oi war mehr als erleichtert, als die Stimmen und sonstigen Geräusche aus der „Halbwelt-Disco“ – haarscharf auf dem fadenbreiten Strich zwischen Legalität und Illegalität angesiedelt – hinter ihnen zurückblieben und verebbten … allmählich näherten sie sich den glitzernden Straßen. So hatte er sie insgeheim immer genannt: nur, dass er sie jetzt nicht mehr glitzern sehen konnte. Sein Gehör indessen hatte sich bereits jetzt sehr verschärft.
    Es war früher Morgen, aber Good City, das Einkaufsmeilennetz, schlief sowieso niemals.
    Oi hörte das Summen der Ecars. Die Rufe der Straßenhändler. Das Zischen der Drahtrohrpost über seinem Kopf. Das Klitter-Klitter-Klitter der extrem schnellen Spur-Einräder, deren Besitzer eifrig die Pedale traten. Das System der Spurradschienen war im vergangenen Jahr stark ausgebaut worden: Einräder hatten stets Vorfahrt.
    Oi fühlte den Zug, als eines dieser Kurier-Gefährte ganz nah an ihm vorbeisauste – er blieb abrupt stehen und senkte seinen blinden Kopf. Die Schritte vieler Menschen um ihn herum. – Und dann hörte er Boneas heftigen Atem, hörte sie schlucken; sie klammerte sich an seinen Arm, hatte ganz aufgehört, ihn zu führen … und schließlich hörte er das elende Knurren ihres Magens. Er empfand es fast wie einen körperlichen Schmerz. Was konnte man für einen einzigen Kupferchip kaufen? Eine synthetisierte Glasnudelsuppe vielleicht, mit Kräuterersatz? Es war zu lange her, dass er mit der Grundwährung eingekauft hatte. Zu lange hatte er sich in der Sicherheit seines Türsteher-Jobs gewiegt und war überall gern gesehen gewesen mit seinem Kreditkartenimplantat. Ein Handabdruck genügte, und er hatte alles bekommen, was sein Herz begehrte … Ihm fiel ein, dass Bonea wahrscheinlich kein einziges Codeimplantat besaß, dass sie also niemandem ihre Handflächen zeigen durfte. Er öffnete schon den Mund, um ihr das zu sagen, als sie ihm zuvorkam und zunächst ein paar Laute oder Worte hervorstieß, die er nicht verstand. Es musste wohl die Hordensprache sein und hörte sich nach ehrfürchtigen Flüchen an. Und er hörte auch, wie sie gierig schnüffelte, die Luft einsog wie ein junger Hund, der Witterung aufnimmt, zum ersten Mal in seinem Leben.
    „Paradise City!“, stieß sie dann verzückt hervor. „Hier ist Nahrung – much to eat for everyone!“
    „Good City“, berichtigte Oi. „So wird der Teil mit den Geschäften genannt. Bonea, ich … wir haben nur …“
    „Only one Kupferchip, ich weiß. Lass mich think it over … ich denke immer schnell, wenn köstlicher Duft als inspiration round me.“
    Oi schwieg und legte eine seiner großen Hände sanft auf den schmalen Nacken des Mädchens; so spürte er, wie sich Boneas Kopf eifrig hin- und herbewegte. „Where are … wo sind die Bettler?“, fragte sie nach ein paar Augenblicken.
    Oi musste nachdenken. „Oh“, antwortete er dann, „es gibt keine mehr. Sie werden an bestimmten Orten versorgt … ich weiß nicht genau, wo.“
    „Anyway, es ist eine location, wo wir nicht hinkönnen. Shit, ich muss lernen ohne slang to talk. Du musst mich verbessern, es mir sagen, Two Vocals! – Aber nun zuerst das Wichtigste, bevor ich sinke ohnmächtig dahin bei all diesen smells! – Wenn keine Bettler mehr hier, wir können überrumpeln einen … Händler, der Essen offert von einem dieser Wagen.“ Ihre Stimme klang erregt, die Worte stürzten schnell übereinander; Oi versuchte geistig Schritt zu halten. „Sie sind es nicht mehr ge-used. Nicht jeder wird sofort the police callen … rufen. Oh, verdammter shit. Oh, es ist so nah, ich WILL …“ Die Kleine riss sich mit Mühe zusammen. Auch ohne Augenlicht konnte Oi sich lebhaft vorstellen, wie ihre riesigen Hunger-Augen noch größer wurden bei dem Gedanken, gleich einen der köstlichen Snacks zu verzehren, die von den Straßenhändlern Good Citys in rauen Mengen feilgeboten wurden …
    „Give me einen tipp, Two Vocals. Think it over.“
    Oi gab sich redlich Mühe. Langsam formten sich seine Gedanken zu einem Plan. „Siehst du einen mit dunkler Haut? Türkisch-Inder wäre am besten.“
    „Ja!“, flüsterte Bonea aufgeregt. „See one. Hat Fleischpasteten.“ Sie ließ das letzte Wort auf der Zunge zergehen.“
    „Sind immer noch am … Fuß der Leiter. Verwerten
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