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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel
Autoren: Sebastian Fitzek
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Sekunden losgehen würde. Und dass es zu einem Kugelwechsel kommen würde, stand völlig außer Frage. Immerhin ging es hier um einen Schaden von mindestens achthundert Euro. Fraglich war nur, wer den ersten Schuss abgab. Und wie lange es dauerte, bis ein Querschläger sie traf. Also gut. Hier würde keiner einfach klein beigeben. Es war auch für keinen der beiden Männer ratsam. Der Erste, der die Waffe senkte, hätte eine Neun-MillimeterPatrone im Kopf. Und dazu die Schmach. Weil er selbst keinen Schuss abgegeben hatte, würden ihn bei seinem Begräbnis alle für einen Feigling halten. Gleichzeitig wollte hier aber auch keiner seine Ehre verlieren und als Erster rumballern. Das war der einzige Grund, warum sie nicht schon längst ein Blutbad angerichtet hatten, wenn man mal von dem Pitbull auf den Fußbodenfliesen absah.
    Ira nickte zustimmend, als sie eine weitere Eskalationshandlung des Russen beobachtete, der einen Schritt auf den Kühltresen zuging und voller Wucht auf dem abgeschlagenen Hundekopf herumtrampelte, so hart es seine Badelatschen eben erlaubten. Hakan, fast wahnsinnig vor Wut, schrie so laut, dass Iras Trommelfelle knackten. Noch zehn Sekunden vielleicht. Allenfalls zwanzig, dachte sie. Mist. Ira hasste Suizidverhandlungen. Sie war auf Geiselnahme und Kidnapping spezialisiert. Dennoch wusste sie: Die sicherste Chance bei Lebensmüden hatte man, wenn man ihre Aufmerksamkeit ablenkte. Weg von dem eigenen Tod. Hin zu etwas weniger Wichtigem. Etwas Banalem. Etwas, bei dem nicht so viel auf dem Spiel stand, wenn es misslang.
    Natürlich, dachte Ira und machte die Kühlschranktür auf.
    Ablenkung.
    »Hey«, rief sie, ihren Rücken den Duellanten zugewandt, »hey«, brüllte sie lauter, als keiner der beiden Männer von ihr Notiz zu nehmen schien.
    »Ich hätte gern eine Cola!«, schrie sie noch einmal und drehte sich um. Und jetzt hatte sie es geschafft. Ohne die Waffen runterzunehmen, sahen beide Männer zur ihr hinüber. In ihren Blicken lag eine Mischung aus Fassungslosigkeit und blankem Hass.
    Was wollte die Irre? Ira lächelte.
    »Und zwar light. Am besten eine Cola light Lemon.« Atemlose Stille. Nur kurz. Dann fiel der erste Schuss.

4.
    Kitty eilte ins A-Studio und stolperte dort fast über Markus Timber, der im Schneidersitz auf dem Fußboden saß und gelangweilt in einem Männermagazin blätterte. »Verflucht, pass doch auf!«, schnauzte er und rappelte sich umständlich hoch.
    »Wie viel Zeit noch, Flummi?«, raunzte er seinen schlaksigen Produzenten an.
    Benjamin Flummer sah vom Mischpult hoch auf den Studiomonitor, dessen Digitalanzeige ihm die Restlaufzeit von Madonna mitteilte. »Noch vierzig Sekunden.«
    »Okay.« Timber fuhr sich mit seinen langen Fingern durch seine blassblonden Haare. »Und was machen wir jetzt?«
    Wie immer hatte er keinen Überblick über den Sendeablauf und vertraute seinem Showproduzenten blind, wenn dieser ihn über das nächste Highlight seiner eigenen Sendung aufklärte.
    »Es ist 7.28 Uhr. Der erste Cash Call ist gerade gelaufen. Wir können noch einen Song spielen, und danach haben wir was fürs Herz. Der dreijährige Felix stirbt in vier Wochen, wenn sich kein Knochenmarkspender findet.«
    Timber verzog angewidert sein Gesicht, während Flummi unbeirrt fortfuhr: »Du rufst die Hörer dazu auf, sich typisieren zu lassen, ob sie als Spender in Frage kommen. Wir haben alles organisiert: Im großen Konferenzsaal stehen Liegen bereit, und drei Ärzte werden ab 12.00 Uhr jedem, der in den Sender kommt, einen halben Liter Blut abnehmen.«
    »Hmm.« Timber grunzte widerwillig. »Haben wir wenigstens das Gör am Telefon, wie es sich die Augen vor Dankbarkeit aus dem Kopf heult?«
    »Der Junge ist erst drei und hat Krebs. Du sprichst mit der Mutter«, antwortete Flummi knapp und prüfte mit der Vorhörtaste, ob der erste Spot des Werbecomputers richtig platziert war.
    »Ist sie heiß?«, wollte Timber jetzt wissen und warf das Magazin in den Mülleimer.
    »Wer?«
    »Die Mutter!«
    »Nein.«
    »Dann ist Felix gestorben.« Timber rappelte sich auf und grinste als Einziger über seine geschmacklose Zweideutigkeit.
    »Hast du damit ein Problem?«, fauchte er Kitty an, als er sah, dass sie immer noch vor ihm stand. »Eine Knochenmarkspende? Leben retten? Das ist doch bestimmt deine kitschige Idee gewesen, was?«
    Kitty hatte große Mühe, die Fassung nicht zu verlieren. »Nein.«
    »Und warum atmest du mir dann hier im Studio die Luft weg?«
    »Es geht um die Gruppe«,
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