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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel
Autoren: Sebastian Fitzek
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eine Geisel opfern musste.
    »Waffe runter!«, rief der Paketbote, so wie er es aus den Tatortkrimis im Fernsehen her kannte, doch Jan ließ sich nicht beirren. Stattdessen riss er den stöhnenden Timber zu sich hoch.
    »Sie machen einen großen Fehler«, sagte Jan und hielt Timber seine Beretta an die Schläfe. »Noch können Sie ihn korrigieren.«
    Der Fahrer begann zu schwitzen. Er wischte sich die rechte Schläfe mit dem Ärmel seiner braunen Uniform ab.
    Noch sieben Minuten. Vielleicht nur sechs, wenn die Wachleute draußen schnell waren und etwas von ihrem Job verstanden.
    Also gut. Jan sah die Panik in den verängstigten, blassgrauen Augen des Paketzustellers, und er war sich sicher, dass dieser nicht schießen würde. Aber er konnte in dieser frühen Phase kein zu großes Risiko eingehen. Doch kurz bevor er dazu ansetzte, Timber wegzustoßen, damit ihm genügend Bewegungsspielraum für einen sicheren Schuss blieb, sah er den zentralen Netzschalter am Mischpult. Ihm kam eine noch viel bessere Idee. Er nahm Timber wieder fester in den Schwitzkasten und zog ihn einen halben Meter zurück zur Wand, die Pistole immer noch an dessen Kopf gepresst.
    »Keinen Schritt weiter!«, schrie der Fahrer aufgeregt. Doch Jan lächelte nur müde. »Okay, okay. Ich bleib ja schon, wo ich bin.« Und dann hatte er wieder das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Einfach indem er den großen Schalter an der Wand hinter sich umlegte. Das Licht ging schlagartig aus. Bevor sich die Augen seiner Geiseln an das plötzliche Dämmerlicht gewöhnen konnten, schaltete Jan mit seiner freien linken Hand das Studiomischpult mitsamt allen angeschlossenen Flat-Screen-Monitoren ab. Jetzt war das Studio nahezu in völlige Finsternis getaucht. Nur das rote Licht zweier Not-LEDs zuckte wie Glühwürmchen durch die Dunkelheit.
    Wie erwartet erstarrten die Geiseln durch diesen einfachen Trick und waren erneut wie gelähmt. Der UPS-Fahrer konnte sein Gegenüber nicht mehr genau sehen, also zögerte er mit weiteren Maßnahmen. »Du verfluchter Bastard, was soll das?«, schimpfte er. »Ruhig bleiben«, befahl Jan in die Dunkelheit hinein. »Wie heißen Sie?«
    »Manfred, aber das geht dich einen Scheißdreck an.«
    »Aha, Ihre Stimme flattert. Sie haben Angst«, stellte Jan fest.
    »Ich knall dich ab. Wo bist du?«
    Für einen kurzen Moment wurde das künstliche Dunkel von einer kleinen gelben Feuerzeugflamme erhellt. Danach sah man das rot glühende Ende einer Zigarette mitten in der Luft schweben.
    »Hier. Aber schießen Sie besser nicht in meine Richtung.«
    »Verdammt, wieso nicht?«
    »Weil Sie wahrscheinlich nur meinen Oberkörper erwischen.«
    »Na und? Was wäre daran falsch?«
    »Gar nichts. Aber Sie würden den schönen Plastiksprengstoff zerstören, den ich mir um den Bauch gebunden habe.«
    »O mein Gott«, stöhnten der Verwaltungsbeamte und die Schwangere gleichzeitig auf. Jan hoffte, dass die anderen Geiseln sich die nächsten Sekunden nicht aus ihrer inneren Erstarrung befreien würden. Einen einzelnen Aufständischen konnte er vielleicht noch beherrschen. Die gesamte Gruppe nicht. »Du verarschst uns!«
    »Meinen Sie? Ich an Ihrer Stelle würde es nicht darauf ankommen lassen.«
    »Scheiße!«
    »Sie sagen es. Jetzt werfen Sie Ihre Pistole zu mir nach vorne über das Mischpult. Und zwar ein bisschen plötzlich. Wenn in fünf Sekunden das Licht wieder angeht und ich immer noch die dämliche Waffe in Ihrer Hand sehe, dann jage ich unserem Star-Moderator hier eine Kugel in den Schädel. Ist das klar?«
    Da der Fahrer keine Antwort gab, hörte man für einen Augenblick nur das Rauschen der Klimaanlage. »Also schön, dann mal los.« Jan klopfte Timber auf die Schulter. »Zählen Sie von fünf an rückwärts!«, kommandierte er.
    Nach kurzem Schnauben und dumpfem Stöhnen begann Timber mit nasaler und ungewohnt zittriger Stimme mit dem makabren Countdown: »Fünf, vier, drei, zwei, eins.«
    Dann polterte es. Und als das Licht wieder anging, sahen die restlichen Geiseln etwas, das sie in ihrem Leben nie wieder vergessen würden.
    Der Paketfahrer hing bewusstlos über der Theke. Der vom eigenen Blut völlig besudelte Markus Timber umklammerte ängstlich seinen Produzenten, dem wiederum Jan seine Zigarette in den Mund gesteckt hatte, bevor er seelenruhig um die Theke herumspaziert war, um Manfred von hinten bewusstlos zu schlagen. Jan registrierte zufrieden das Entsetzen in den Gesichtern seiner Opfer. Jetzt, nachdem er das einzige Alpha-Tier
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