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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx
Autoren: Elizabeth Peters
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wußte, daß sein gleichmütiger Gesichtsausdruck keine Gefühlsregung zeigte. Ramses’ Miene ist meistens ausdruckslos. Seine Nase und sein Kinn sind von beachtlicher Größe, und seine dunkle Hautfarbe ist keinesfalls typisch für einen Engländer. Man hätte ihn leicht für einen ägyptischen Jungen halten können, was Emerson, auch im Hinblick auf dessen erhabenes Verhalten, dazu verleitet hatte, ihm den Spitznamen Ramses zu geben. (Ich hoffe jedoch, daß der werte Leser auch ohne besondere Erwähnung weiß, daß ich ein englisches Kind niemals auf einen solch fremdländischen Namen getauft hätte!)
    Da mir die Köpfe meines Mannes, meines Sohnes und, nicht zu vergessen, der Katze die Sicht versperrten, lehnte ich mich zurück und entspannte – wobei ich jedoch Ramses’ Hinterkopf nicht eine Sekunde lang aus den Augen ließ.
     
    Wie gewöhnlich hatte ich Zimmer im Hotel Shepheard gebucht, worüber sich Emerson heftig beklagte. Da er sich jedes Jahr beschwerte, schenkte ich dem keinerlei Beachtung. Einige der neueren Hotels sind sicherlich ebenso komfortabel, doch zusätzlich zu den Annehmlichkeiten, die ein kultivierter Mensch dort erwarten darf, besitzt das Shepheard den Vorteil, das Zentrum der feinen Kairoer Gesellschaft zu sein. Meine Beweggründe, warum ich dieses Hotel jedem anderen vorziehe, sind exakt die gleichen, die Emersons Beschwerden auslösen. Er fühlte sich ungemein wohler, wenn wir uns in den Einheimischenvierteln niederließen, wo er sich an dem Fehlen jeglicher sanitären Einrichtung erfreuen könnte, das diese billigen Hotels und Pensionen auszeichnet. (Männer sind nun einmal instinktgeprägt und wenig penibel. Emerson gehört immerhin zu den wenigen, die den Mut besitzen, das offen zuzugeben.) Auch wenn ich es in den besseren dieser Unterkünfte ohne weiteres aushalten könnte, sehe ich nicht ein, warum ich mir verfügbaren Luxus versagen sollte. Ich wollte mich einfach einige Tage lang von den Strapazen der unbequemen Schiffsreise erholen, ehe wir in die Wüste aufbrachen.
    Eine absolut vernünftige Einstellung – darin würde mir sicherlich jeder beipflichten. Emersons Behauptung, daß ich das Shepheard lediglich wähle, um den neuesten Klatsch aufzuschnappen, halte ich deshalb für einen seiner kleinen Scherze.
    Mir ist zu Ohren gekommen, daß es schwierig sein soll, während der Hochsaison Zimmer im Shepheard zu bekommen, doch ich selbst hatte niemals die geringsten Probleme. Natürlich waren wir auch alte und geschätzte Gäste. Das Gerücht, Mr. Baehler, der Hotelmanager, habe eine Heidenangst vor Emerson und fürchte sich, ihm irgend etwas abzuschlagen, ist nahezu lächerlich. Mr. Baehler ist von großer, kräftiger Statur, und ich bin mir sicher, daß sich sein weltgewandtes Auftreten durch nichts erschüttern ließe.
    Er stand auf der Hotelterrasse, um uns – und natürlich auch die anderen Gäste – zu begrüßen, die mit dem Zug aus Alexandria eingetroffen waren. Sein silbergraues Haupt überragte die Menge. Als wir unsere Kutsche verlassen wollten, hielt ein weiteres Gefährt hinter uns an. Das erregte unsere Aufmerksamkeit nicht zuletzt deshalb, da es die Blicke aller auf der Terrasse sitzenden Gäste auf sich zog. Eine allgemeine Starre war eingetreten. Alle Köpfe waren in Richtung der Neuankömmlinge gewandt, und für Sekundenbruchteile herrschte atemloses Schweigen, das schließlich von zischelndem Flüstern abgelöst wurde.
    Die offene Kalesche wurde von zwei edlen Grauschimmeln gezogen. Dunkelrote Federn schmückten ihre Geschirre, und sie warfen ihre schönen Köpfe hoch und tänzelten voll majestätischer Anmut.
    Der Kutscher sprang vom Kutschbock hinunter und händigte die Zügel dem hinter ihm sitzenden Mann aus. Letzterer trug Reitkleidung und blankpolierte Stiefel, war groß, schlank und strahlte die Geschmeidigkeit eines Panthers aus. Sein schwarzes Haar erweckte den Anschein, als wäre es mit ebensolcher Schuhcreme behandelt worden, und der schmale schwarze Schnurrbart hätte mit Tinte aufgemalt sein können. Ein Monokel in seinem rechten Auge spiegelte das gleißende Sonnenlicht wider.
    Lautstark entfuhr es Emerson: »Beim Allmächtigen, das ist doch dieser Schurke Kalenischeff!«
    Emerson ist nicht unbedingt für seine Zurückhaltung bekannt. Alle, einschließlich Kalenischeff, drehten sich zu uns um. Sein zynisches Lächeln gefror auf den Lippen, doch er faßte sich gleich wieder, wandte sich ab und half einem weiteren Passagier aus der Kutsche.
    Juwelen
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