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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient
Autoren: Jack Womack
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gingen auseinander. Mister Dryden und Avalon steuerten die Kunstabteilung an, und ich folgte.
    Niemand sonst war im Laden; ich konnte meinen Zugriff lockern und die Drucke an der Wand beäugen. Da gab es prachtvolle Reproduktionen von Francis Bacons schreienden Päpsten; viele von Goyas Los Caprichos in Hologramm; einige Paneele von Chester Gould in Basrelief. Schönbergs Pierrot Lunaire erfüllte die Luft. Avalon blätterte in einem Buch mit Schwarzweißaufnahmen nackter weiblicher Musterexemplare der Körperkulturistik in ausgewählten Haltungen – im Schlamm versinkend und ertrinkend, von rohen Wilden vergewaltigt, wie die Märtyrer von Smithfield angezündet, aufs Rad geflochten wie die heilige Katharina, lebendig abgehäutet wie der heilige Bartholomäus, von Pfeilen durchbohrt wie der heilige Sebastian – der Einfallsreichtum des Fotografen schien keine Grenzen zu kennen. Mister Dryden warf einen Band von Arbus hinüber; der Angestellte fing ihn ächzend auf. Das Morgenlicht, blaß und grau, fiel auf Avalons Gesicht, als sie die Fotos mit dunkelglänzenden Augen betrachtete; ich dachte, wie gebräunt und weich sie aussah, wo sie nicht schwarz und lederig war. Ich wünschte, wir könnten uns umarmen, bis wir einander die Knochen gebrochen hätten. Sie trainierte auch Gewichtheben; genug, um sich für Konferenzen in Form zu halten.
    Sie schob sich näher und rollte die Zunge über die Lippen, als suche sie nach Blasen, um mir einen Druck aus einem anderen Buch zu zeigen, der Tödlicher Autounfall 17 untertitelt war; der Künstler besaß ein starkes Farbempfinden, aber keinen Blick für Form. Sie grinste und warf es auf den Boden. Ihr Leder bewegte sich mit ihr; ich hätte sie liebend gern abgehäutet.
    »Jungchen sollte sich lieber beeilen«, flüsterte sie mir zu und nahm mich beim Arm. »Meine Füße bringen mich um, in diesen verdammten Stöckelschuhen.«
    Ich sagte nichts. Ich lächelte; ihre Augen funkelten wie Glassplitter, und in ihnen sah ich, was sie noch nicht sagen mochte. Sie drehte die Hüften hin und her, um der Beengung durch ihre Kleidung entgegenzuwirken, und dabei rutschte das Kleid höher hinauf. Ich wußte, daß Avalon mit der Zeit den Geschmack an Mister Drydens Zärtlichkeiten – soweit man davon sprechen konnte – verloren hatte, aber sie kannte ihn nicht so lange wie ich und war darum auch nicht so gut auf seine Launen eingestimmt, die während des vergangenen Jahres unberechenbarer geworden waren.
    »Neuer Anzug, Schamlos?« fragte sie mich. Ich trug einen zweiteiligen dunkelblauen Nadelstreifanzug, nicht unähnlich dem meines Brotgebers. Während er in Avalons Kleidung auf einen gewissen Elan Wert legte, achtete er wenig auf meine Kleidung, solange sie paßte und schützte.
    »Letzte Woche gekauft«, sagte ich. Ich hatte seit meiner Bestellung vier Wochen warten müssen; hätte ich nicht für Dryco gearbeitet, wären es zehn Monate geworden, und dann hätte ich wahrscheinlich zugesandt bekommen, was gerade vorhanden war, ungeachtet der Größe, der Farbe oder des Materials – nicht immer wegen der Knappheit, sondern aus allgemeiner Gleichgültigkeit. Es war angebracht, zu nehmen, was einem gegeben wurde, wenn man überhaupt etwas bekommen wollte.
    »Du siehst gut genug aus, um ihn zu übertreffen«, sagte sie mit einem Zwinkern. Als sie mich streifte, wurde mir warm, als würde ich langsam gekocht. »War er teuer?«
    »Fünfzehn Dollar«, sagte ich.
    »Du machst deine Anzüge nie blutig, nicht?« Sie rieb die Aufschläge zwischen Daumen und Zeigefinger. Ihr Knie berührte meines in absichtsvoller Liebkosung.
    Ich schüttelte den Kopf und versuchte zu denken. Jede Logik schwand aus meinem Denken, wenn sie mir nahe kam; ihre Berührung stürzte meine Gedanken ins Chaos.
    »Das Kennzeichen des Amateurs«, sagte ich.
    »Ich würde gern Blut an seinem Anzug sehen.«
    »Meinst du, daß er bald fertig ist?«
    »Kann nicht sein«, sagte sie. »Der Verkäufer lebt noch.«
    Aber er war fertig und gab uns das Zeichen, zu gehen. Wir erreichten den Ladentisch mit der Kasse; der Geschäftsführer eilte herbei, als erwartete er, mit einem Leckerbissen gefüttert zu werden.
    »Hatten wir alles, was Sie benötigten, Sir?«
    »Nein«, sagte Mister Dryden.
    »Wünschen Sie irgendwelche speziellen Titel?«
    »Keine Zeit«, sagte er und schlug mit der Hand auf den Ladentisch, als gelte es, seine Existenz zu bekräftigen. »Ich kaufe ein, ich erwarte Erfüllung meiner Wünsche. Ich werde anderes tun,
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