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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient
Autoren: Jack Womack
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– TRARI TRARA UND EX in den Kofferraumdeckel gekratzt – wechselte die Fahrspur und stieß an unseren Wagen. Der Fahrer schrie Jimmy an und fuhr auf unserer Spur weiter. Jimmy gab Gas, rammte das Taxi mit der Frontplatte, die den Kühlergrill unseres Wagens schützte, bevor wir die 79. Straße erreichten, und stieß es auf die Bordsteinkante. Die Tür flog auf, der Taxifahrer fiel heraus in den Rinnstein. Jimmy drückte einen der Abwehrknöpfe und dünstete ihn im Vorbeifahren roh. Der Mann schnellte herum wie ein frischgefangener Fisch.
    »Matschi wird uns nicht mehr nerven«, sagte Jimmy und schüttelte den Schreck mit einem Lachen ab.
    Kleine Jungen sprangen über die Umfassungsmauer und klopften den Taxifahrer mürbe. Einer schlug die Scheiben des Taxis ein; damit noch nicht zufrieden, zerschlug er die Scheiben anderer vorbeifahrender Wagen. Die Jungen der Heimatarmee lachten; angeregt, stets für Unterhaltung und Abwechslung zu haben, feuerten sie in vorbeikriechende Busse. Passagiere sprangen hoch, ließen sich von Trittbrettern und Seiten fallen.
    Avalon legte ihre Einkaufskluft an: ein anliegendes Kleid aus schwarzem Leder, vorn und hinten von oben bis unten offen und durch eine Verschnürung zusammengehalten. Die Schnüre waren in Höhe der Gabelung verknotet. Über dem Knoten war eine Tätowierung winziger männlicher Artillerie, mit einem blutigen Messer anstelle des Friedensstifters. Sie zog die Reißverschlüsse ihrer hüfthohen schwarzen Stiefel zu; setzte die SS-Offiziersmütze mit dem Totenkopf schneidig auf ein Ohr.
    »Wie seh ich aus?« fragte sie Mister Dryden, der Avalons Kleidung für Auftritte in der Öffentlichkeit auswählte; sein modischer Geschmack hatte ziemlich stilisierte Formen angenommen.
    »Lecker«, murmelte er bei der Durchsicht seiner Post, ohne den Blick vom Monitor zu wenden. Er bediente die Knöpfe mit einer Hand; mit der anderen kratzte er sich in einem fort, zog und bohrte und befühlte seine Haut, versuchte die Maden zu fangen, deren Kriechen er darunter wahrzunehmen glaubte.
    »Ist das alles?« fragte sie; es war. Sie sah zu mir her und rollte die Augen. Sie war ein Traum, programmiert und abgerufen; die Frau, die man nach Haus zu Mutter brachte, wenn Mutter zu Haus war. Meine war tot. So nah und doch so fern zu sein, spannte meine Gefühle aufs äußerste; wäre ich eine Motte gewesen, ich wäre bereitwillig in ihrem Licht verbrannt.
    Zwei Hubschrauber knatterten in zweihundertfünfzig Metern Höhe über der Stadtmitte, kurvten zwischen den Hochhäusern. Junge Piloten der Heimatarmee knallten sich mit Drogen voll und starteten dann ihre Maschinen, um zwischen den Wolkenkratzern Fangen zu spielen. Jedes Jahr wurden Dutzende abgeschossen, um den Schaden zu begrenzen.
    Die Einfahrt zur Kontrollzone Stadtmitte war auf Höhe der 59. Straße. Am Gehsteig waren Spuren einer unlängst geschehenen Explosion zu sehen: die Sperrmauer war rot bespritzt, und es herrschte größere Unordnung als durch übermäßige Benutzung erklärt werden konnte. An der Wand stand in Schablonenschrift die am leichtesten durchzusetzende Antiterrorvorschrift der Armee:
     
    ENGLISCH SPRECHEN
    ODER SCHNAUZE HALTEN!
     
    Man konnte wochenlang durch jede beliebige Zone Manhattans wandern, ohne englische Worte zu hören.
    Da wir 1A-Nummernschilder hatten, brausten wir auf unserer Fahrspur entlang, während die Lastwagen, Taxis und Busse auf den regulären Fahrspuren angehalten, durchsucht und umgeleitet wurden; die Stoßzeit war vorbei, und der Stau hatte eine Länge von nur vierzig Blocks. Von der Fassade des Vollzugshauptquartiers Stadtmitte der Heimatarmee, dem alten Plaza Hotel, das seit langem im stumpfen Olivgrün der Armee gespritzt war, hingen Flaggen. Auf dem Dach waren Maschinengewehre und Granatwerfer postiert, die auf den Park gerichtet waren. Ein Springbrunnen vor dem Gebäude spritzte scharlachrot gefärbtes Wasser in die Luft, um die unaufhörlichen Gießbäche der überseeischen ›Schlachtfelder‹ zu symbolisieren. Vor dem Anwerbebüro in der 58. Straße standen Jungen Schlange, in Wagenladungen herangekarrt, um sich freiwillig zu melden; die Armee bevorzugte das Blut der Frischen und Unverdorbenen. Armeejungen hielten die Wartenden bei Laune, indem sie Tauben von Dächern schossen; wer andere Unterhaltung wünschte, verfolgte das über die Straßenmonitore verbreitete Fernsehprogramm. Bei Schwartz, auf der anderen Straßenseite, mästeten sich die Kinder der Besitzenden, begleitet von
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