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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient
Autoren: Jack Womack
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zurechtkommen, nehme ich an.«
    »Alles wird sich einrenken«, sagte er. »Abgesehen von Umständen, auf die wir keinen Einfluß haben, ist alles, was ich habe, von nun an sicher. Nichts wird sich ändern, alles läuft in den eingefahrenen Geleisen. Aber von nun an werde ich mehr als bisher auf Sicherheit spielen. Wenn ich sterbe, wird das Wissen von diesen Dingen mit mir sterben. Es wird allein in den Händen von E ruhen. Alice wird es nie verraten. Dann wird Würger eines Tages alt genug sein, um alles so zu verpfuschen, wie er es für richtig hält. Dann werde ich nicht mehr da sein, also soll es mich nicht kümmern. Meine Stadt wird gebaut werden.
    Sonst wird sich nichts ändern. Für manche wird es gute Jahre geben, für andere schlechte. Mit jedem Jahr wird alles einfach ein bißchen mehr aus den Fugen gehen. Es ist alles zum Besten, O'Malley, es ist die Art der Natur.«
    Das war keine schlechte Antwort. Zumindest so gut wie jede andere. Durch die Einwegscheibe sah ich Avalon im Vorraum hin und her gehen, als versuche sie in irgendeiner Weise Kräfte zu sammeln.
    »Könnte ich von Avalon Abschied nehmen, bevor ich gehe?«
    »Ich lasse sie hereinkommen«, sagte er. »Geben Sie nicht ihr die Schuld, O'Malley, sie wollte bloß das Beste …«
    »Für sich selbst.«
    Er zuckte wieder die Achseln. »Können Sie es ihr vorwerfen?«
    »Wirklich nicht.« Aber ich dachte, daß ich es könnte, mit der Zeit.
    »In meinen zur Neige gehenden Jahren brauche ich eine Gefährtin«, sagte er, auf dem Weg zum Eingang. »Stella und Blanche werde ich zu Würger hinüberschicken. Ich glaube, sie hängen sowieso die Hälfte der Zeit bei ihm herum. Kann sie nie finden, wenn ich sie brauche.«
    Er steckte den Kopf zur Tür hinaus und rief: »Avalon, komm einen Augenblick herein!«
    Sie schlenderte mit einer Haltung gezwungener Nonchalance herein, die Hände in den Seitentaschen ihres einteiligen Sportanzugs. Ihr Gesichtsausdruck war halb erwartungsvoll und halb verschlossen. Sie starrte den Alten Mann an.
    »O'Malley hat dir was zu sagen, bevor wir uns seiner annehmen.«
    Wahrscheinlich würden sie mehr Erinnerung herausoperieren als bloß das Wissen um die Arbeitsweise des Systems, dachte ich. Avalon lächelte. »Ich habe dir auch was zu sagen.«
    Waffen in den Händen von Amateuren bringen keinen Frieden; vielleicht können sie Befriedigung bringen. Ehe ich wußte, was geschah, hatte sie einen Revolver aus der Tasche gezogen; denselben, den ich im Brückenhauptquartier erhalten und nicht hatte mitnehmen wollen. Der Alte Mann fiel vornüber, als sie feuerte und schlug wie ein Brett auf den Boden.
    »Nein!« schrie ich, sprang hinzu und entriß ihr die Waffe; ich warf sie durch den Raum. Noch ehe sie aufprallte, gingen auf Alices Tastatur die Lichter an. Ihr Monitor piepte einen unentzifferbaren Code. Ich ließ Avalon stehen und fiel neben dem Alten Mann auf die Knie nieder. Ein unbestimmtes Lächeln war in seinen Zügen, als ob alles zu albern sei, um mehr als diese Würdigung zu erfahren. Nach dem äußeren Anschein hatte er ein Drittel seines Blutes verloren; es bedeckte den glänzenden weißen Boden in einer gleichmäßigen Lache. Er sah mich an; mit einer matten Handbewegung winkte er mich näher zu sich, damit ich höre, was er zu sagen hatte.
    Seine Lippen zuckten, als suche er nach der geeigneten Ausdrucksweise. »Muß Ihnen was sagen«, röchelte er. »Bewahren Sie es in guten Händen. Sehen Sie zu, wie Sie damit leben.«
    Er sagte es mir; er starb.
    »Jetzt sind wir sicher«, sagte Avalon und strich mir übers Haar.
     
    Und wie es schien, waren wir sicher, wenigstens für eine Weile. Während Alice die Programme durchlief, die zu durchlaufen sie sich gezwungen fühlte, erzählte mir Avalon von ihren Entscheidungen.
    »Ich glaubte nicht, daß wir jemals davonkommen würden«, sagte sie. »Und ich hatte das Gefühl, daß es meine Schuld gewesen war. Mir war irgendwie klargeworden, daß wir sie beide erledigen mußten. Eine andere Möglichkeit, es zu tun, fiel mir nicht ein. Es brachte mich beinahe um, dich so zu verletzen.«
    Ich vergab ihr. Enid erwachte, richtete sich in ihrem fahrbaren Krankenbett auf und versuchte zu stehen. Sie trug ein langes Krankenhausnachthemd. Einen Augenblick lang schien ihr schwindlig zu sein, aber ich hielt sie, bevor sie fallen konnte.
    »Seamus?« fragte sie mich, nachdem sie mir lange ins Gesicht gesehen hatte, um es mit dem jugendlichen Antlitz in Einklang zu bringen, das in ihrem Gedächtnis
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