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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern
Autoren: Jack Womack
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Gesicht, als er merkte, daß in dem Gefäß nur noch ein abgekühltes Pfützchen stand. »Sie sind der Meinung, es ist ein Vorteil, ein Übungsgebiet in der Nähe zu haben. So werden die Jungs auf alles vorbereitet, hat einer mir gesagt …«
    »Sind die Transporte eingestellt worden …?«
    »Das doch wohl kaum«, entgegnete Bernard.
    »Und Susie hat Kenntnis?«
    »Alles läuft mit ihrem Segen«, sagte Bernard. Ich sah auf der Wanduhr, daß es fast neun war; beinahe Zeit zu gehen. Ich hatte noch mehrere Leute aufzusuchen. »Die Normalität nimmt ihren Gang«, fügte er hinzu. »Die Karawanen bellen, die Hunde ziehen weiter. Tut mir leid, Joanna.«
    »Mir auch …«
    »Ich neige zu der Einschätzung, mittlerweile sind Sie in ihre Stellung hineingewachsen«, lobte mich Bernard. Das Lokal begann sich von Gästen zu leeren; man hatte die Nahrungsmittel verzehrt, und die nächsten Zuteilungen trafen erst mittags ein. Bernard blickte zum Fenster hinaus, beobachtete das Vorüberwimmeln der vielen Passanten. »Ach, Joanna«, meinte er, »die Welt könnte so schön sein ohne diesen ganzen Pöbel.«
     
    Bei der Rückkehr ins Büro sah ich dort alles sich wie immer vollziehen: Sekretärinnen tippten Berichte, Expeditionspersonal verteilte eingegangene Post, Buchhalter verfolgten aufmerksam das Wachstum immer höherer Zahlen, Kontoristinnen beäugten ihre Terminals, Volontäre umstanden die Kaffeemaschinen, füllten Becher mit frischem Kaffee. Von sieben Kontinenten kamen Anrufe, Faxe und Mitteilungen, und die Dryden Corporation widmete sich unentwegt ihrer selbstgewählten Aufgabe, die Welt nach ihrem Ebenbild umzugestalten, zu vereinen, was bislang getrennt existierte, zu trennen, was zusammen sein sollte. Avi saß in Thatchers Vorzimmer auf einem der Sofas, blätterte in Zeitschriften, wartete aufs Gebrauchtwerden. Er sah mich nicht, als ich eintrat; sobald er meine Stimme hörte, stand er auf, an seinem Betragen gab es, wie stets, nichts zu kritisieren.
    »Ist Thatcher drinnen?« wandte ich mich an Lilly, seine Chefsekretärin. Mit einem Kopfrucken deutete sie in die Richtung seiner Tür, klapperte ununterbrochen, den Blick auf den Monitor geheftet, auf ihrer Tastatur. An den Armen trug sie Plastikschienen, damit ihre Handgelenke, obwohl sie deswegen vielleicht nicht weniger Beschwerden litt, während sie tippte, wirksameren Halt hatten.
    »Mit Mrs. Dryden«, lautete ihre Auskunft. Ehe ich hineinging, blieb ich bei Avi stehen, um mir anzuhören, was er zu reden haben mochte, und auszusprechen, was ich ihm sagen mußte.
    »Bist du auf dem Damm?« fragte er. »Ich habe mir Sorgen gemacht.«
    »Sicher, alles klar. Wie steht's mit Thatcher und seiner Alten?«
    »Sind in stiller Feierstimmung«, sagte Avi. »Sie hecheln ein paar neue Projekte durch, glaube ich. Ohne Zweifel wirst du in aller Kürze ins Bild gesetzt …«
    »Ich reiche heute meine Kündigung ein«, erklärte ich. »Ich gehe fort, Avi.«
    Seine Miene blieb so gefaßt wie immer; allein seine Augen verrieten die Verdutztheit, die er empfand. Er neigte den Kopf zur Seite, als müßte er ihn aufgrund Schwerhörigkeit verstellen und wüßte genau, in welcher Schädelhaltung er sich vergewissern könnte, ob er richtig gehört hatte. »Wann?«
    »Sobald ich hier alles geregelt habe«, sagte ich. »Ich bin höchstens noch eine Stunde da.«
    »Was hast du vor?«
    »Ich muß ganz einfach weg, Avi. Diese Tätigkeit hier ist nicht das, wofür ich auf der Welt bin. Danach werde ich besser dran sein …«
    »Was sie mit Macaffrey gemacht haben …«, grübelte er sinnig, als hätte er seine Anwesenheit bei dem Geschehen völlig vergessen. »Das war nicht richtig.«
    »Du hast deine Arbeit erledigt«, sagte ich. »Also nehme ich es dir nicht übel.«
    Er verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein, während er vor mir stand, man hätte meinen können, er hätte es jetzt eilig, sich von mir zu verabschieden, um eine Unterhaltung mit jemand anderem anzuknüpfen, oder bloß, um seinen Dienst fortzusetzen. »Anscheinend ist er etwas anderes gewesen, als man uns eingeredet hat.«
    »Das stimmt«, bestätigte ich ihm.
    »Du wirst deine Wohnung aufgeben müssen«, sagte Avi. »Wo willst du überhaupt unterkommen? Joanna, du kannst doch nicht auf der Straße liegen …«
    »Ich gehe für eine Weile weg«, antwortete ich. »Es ist schwer zu sagen, wann ich wieder in der Stadt sein werde. Lange wird es bis dahin nicht dauern, aber …«
    »Sehe ich dich wieder?«
    »Ich weiß es nicht«,
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