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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern
Autoren: Jack Womack
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was mir bekannt ist, hast du dich auch nirgends beworben.« Er äußerte Feststellungen, keine Fragen. »Was hat dich dazu bewogen? Was ist der Anlaß?«
    »Das mußt du noch fragen?« Er wirkte ehrlich und vollständig verblüfft; sein Heuchlergehabe hinterließ einen glaubhafteren Eindruck als sein natürliches Verhalten, hatte es, glaubte ich, längst verdrängt.
    »Joanna«, antwortete er, »ich habe dir gesagt, daß 's mir leid tut, und es war mein voller Ernst.«
    »Es ist in dem Moment dein Ernst, wenn du es aussprichst. Dann ist es vorbei.«
    »In meiner Rübe rastet irgend was aus, sobald ich befürchte, Putzerl könnte was zugestoßen sein«, sagte Thatcher, verwendete den Kosenamen, bei dem er, wie ich wußte, seine Frau rief, während er am intimsten mit ihr verkehrte; zweimal hatte er ihn beim Fummeln mit mir auf dem Gipfelpunkt seiner Lust herausgeblökt, in dem Moment sicherlich vergessen gehabt, daß ich mich überhaupt im Zimmer befand. »Wen hätte ich denn sonst verantwortlich machen sollen? Wem hätte ich die Schuld geben können? Gott kann man gar nichts wollen.«
    »Du meinst, du kannst Gott nicht ermorden.« Darauf wußte er keine Antwort; vielleicht beschäftigte sich in seinem Auftrag, während wir davon redeten, bereits jemand mit diesem Problem.
    »Ich habe keine Ahnung, was ich sonst sagen könnte«, brummte Thatcher. »Auch wenn er sich nicht unbedingt sonderlich nützlich gezeigt hat, war es kontraproduktiv, ihn wegzuputzen.«
    »Ja, das war es.«
    »Eines schönen Tages werde ich total ausklinken«, sagte Thatcher. »Ich dachte, sie wäre tot. Was sollte ich denn ohne sie anfangen?«
    »Irgendwann wird sie es sein«, erwiderte ich. »Und was dann?«
    »Glaubst du etwa, mir ist das nicht an die Nieren gegangen?« Ich empfand es als Grund zur Beruhigung, in der Seele eines Menschen ein solches Maß an Beständigkeit zu erblicken. »Du weißt doch, wie ich bin. Ich bemühe mich, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, wenn der Moment am günstigsten ist, aber gelegentlich bricht einfach alles mir nichts, dir nichts aus mir hervor, daß es nur so kracht.«
    »Also, auf jeden Fall kann ich hier nicht mehr arbeiten, Thatcher. Es ist Zeit für mich, die Flatter zu machen. Absolut nichts, was einer von uns sagen könnte, wird daran etwas ändern.«
    »Du solltest dir Optionen offenhalten«, riet Thatcher. »Das ist 'ne scheußliche Welt da draußen, wenn niemand einem über die Hürden hilft, Schatzi. Es wird immer schlimmer.«
    »Wär's nicht so, würdest du sicher dafür sorgen.«
    Er streckte mir die Greifer entgegen, als beabsichtigte er meine Hände zu fassen; öffnete die Fäuste, kehrte die Handteller aufwärts, kam jetzt auf die flehentliche Tour. »Für Rührei braucht man Eier, Schatzi, für Rührei braucht's Eier. Wie willst du dich denn zurechtfinden? Benötigst du irgendwas …?«
    »Nein«, sagte ich, warf die Wohnungsschlüssel und meine Steckkarten für die Elektronikschlösser der Firma auf den Schreibtisch, behielt bis auf weiteres nur die Karte, die mir Zugang in mein Büro gewährte. »Ich räume noch meinen Schreibtisch aus, und dann bin ich weg.«
    »Du machst mich sprachlos«, behauptete Thatcher, lehnte sich in den Sessel. »Das kommt so plötzlich …«
    »So etwas gibt's eben, Thatcher.«
    »Joanna«, nölte er, »ich wollte dir schon immer mal was sagen …«
    »Was?« fragte ich, blieb noch; sicherlich hätte es keinesfalls Hoffnung sein dürfen, was mich dazu verleitete, eine weitere Sekunde lang zu zögern.
    »Ich war nie wirklich davon überzeugt, daß du mit ganzem Herzen dabei bist, Schatzi«, gestand er. »Mit halber Kraft kann man nichts Ganzes erreichen.«
    Fast hätte ich gelacht; lachte aber nicht; es blieb mir unmöglich. »Ich weiß. Ich melde mich in der Sicherheitsabteilung ab, damit man mich aus der Datei löscht. Schließlich kenne ich die Vorschriften.«
    »Ich habe mich darauf verlassen, daß du das erledigst, Schatzi«, sagte Thatcher. »Ohne dich zu leben, wird mir schwerfallen.«
    »Du wirst's schaffen.« Er lächelte und nickte vor sich hin. Es schmeichelte ihm, wenn Menschen seine Größe anerkannten. Ich zog die Tür zu und ging zu meinem Büro.
    In Schreibtischen sammeln sich Utensilien an wie in Schränken Kleiderbügel; aus den Schubladen meines Tischs kramte ich hundert Zündholzheftchen von Restaurants hervor, längst vergessene internschriftliche Rückfragen der Hauptbuchhaltung betreffs Arztrechnungen, Programme schon ursprünglich als
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