Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern
Autoren: Jack Womack
Vom Netzwerk:
Weise zum Ausdruck gebracht, die für mein Empfinden eindeutig das Fazit nahelegte, daß er die Absicht hatte, nach seiner Rückkehr bei Thatcher zu petzen. Auf meine Empfehlung hat Gus ihn als Spion Otsukas liquidiert. Jedenfalls habe ich ihn bei Gus als solchen ausgegeben.« Er tippte sich mit den Fingerspitzen der Hand, in die er das Kinn stützte, seitlich an den Schädel. »Der gleiche Vorwand hielt bei Avi her, als Gus an die Reihe kam.«
    »Weshalb haben Sie Lester mit hineingezogen?« fragte ich. »Wieso war das nötig?«
    »Er mußte ja Thatcher unbedingt auf Irrwege locken, die einzuschlagen er sich sparen konnte. Und meine Bedenken in bezug auf das gesamte Projekt sind Ihnen ja bekannt. Es war von vornherein ein Flop. Für mich war es eine günstige Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, obwohl das natürlich nicht so wörtlich zu nehmen ist …«
    »Um Lester zu killen oder in den Wahnsinn zu treiben«, sagte ich.
    »Ersteres bestimmt nicht«, widersprach Bernard. »Letzteres hatte ich nicht gerade vor, aber …«
    »Es hat Ihnen Spaß gemacht, ihn zu quälen, Bernard. Warum? Was hatte er Ihnen getan?«
    »Mir gefiel nicht, was er aus Ihnen gemacht hat, Joanna«, sagte Bernard. »Ich hatte nie vor, ihn umzubringen. Um Himmels willen, ich bin doch nicht Thatcher.«
    An dem Morgen hatte es winterliches Wetter im überlieferten Sinn, nämlich so wie es sich früher einmal im November immer dargeboten hatte. Jetzt haftete ihm für diese Jahreszeit ein Eindruck der Ungewohntheit und Verfehltheit an. Ich blieb stumm, stritt Bernards Selbsteinschätzung weder ab, noch bestärkte ich ihn darin; es gab kaum irgend etwas, das ihn stärker verbiesterte als Schweigen.
    »Ich bin nicht Thatcher, Joanna«, wiederholte er, als benutzte er eines der weniger nebulösen Mantras Avis, plapperte einen womöglich zum Wunderheilen brauchbaren Sprechgesang, eine Litanei, die die Herzen der Heiden rührte; trällerte er lautlos im Hirn ein Lied, das ihn daran erinnerte, wo er sich aufgehalten hatte, als er es das erste Mal hörte, und in wessen Gesellschaft.
    »Dann will ich mal sehen, ob ich alles richtig verstanden habe«, sagte ich. »Wie ich vermute, stammt ein beträchtlicher Teil der Fracht aus Südamerika, aber die Dryco wäre nicht die Dryco, zöge sie sich selbst irgendwelche Grenzen. Woher noch, Bernard? Der Karibik, da bin ich sicher. Afrika? Asien?«
    »Menschen sind zu allem bereit, um nach Amerika zu gelangen.«
    »Wenn sie schon in der Bronx wohnen?« fragte ich, indem ich mich an das rote Kreuz auf dem weißen Lieferwagen entsann. »Was geschieht denn, nachdem sie in Amerika eingetroffen sind?«
    »Sie werden auf kleinere Boote verteilt …«
    »Die Überlebenden.«
    »Genau die«, bestätigte Bernard. »Dann werden sie nachts in mehreren Schüben an der North Fork abgesetzt. Die Boote kehren um …«
    »Und lassen sie am Strand zurück, damit sie in Amerika ihr neues Leben auskosten können?«
    »Joanna …«
    »Wie hoch ist die Überlebensrate der ersten Woche, Bernard?«
    »Sprechen Sie leise …«
    »Ich bin sicher, es sind nicht ausschließlich Männer. Oder Erwachsene. Es dürfte am kosteneffektivsten sein, komplette Familien zu transferieren. Werden Pauschalen angeboten?« Bernard entzog mir seinen Blick. »Wochenendtarife? Können Sie eigentlich nicht begreifen, was Sie da treiben?«
    »Welche Aussichten haben sie denn, wo sie herkommen?« fragte Bernard. »Was für Möglichkeiten? Hier kriegen sie eine Chance, Joanna. Das ist wirklich wahr. Die Tüchtigsten boxen sich immer durch. Welche Chancen hätten sie woanders?«
    »Haben Sie je gesehen, wie sie angelangt sind?« fragte ich. »Ja?«
    »Es ist eine unhaltbare Position, in der ich mich befinde, Joanna«, sagte Bernard. »Da muß man eben aus Scheiße Geld machen, wo es nur geht. Aus allem das Beste. Du kennst das doch selbst.«
    Seine Worte klangen so durchdrungen von Vernunft, so unschuldig und lauter, daß ich vielleicht, hätte ich nicht vor mir die Visage gesehen, die sie sprach, darin getäuscht worden wäre, welcher Geist hier mit was für Absichten zu Sterblichen kalauerte. »Ihnen ist es gelungen, das Arrangement dem Militär zu verheimlichen? Ich kann mir nicht denken, daß man dort davon begeistert wäre.«
    »Einige Kommandeure auf nützlichen Posten sind so einsichtig, einfach Zaster einzustreichen und die Schnauze zu halten«, antwortete Bernard, wollte noch einen Schluck aus der Tasse nehmen; er schnitt ein langes
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher