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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern
Autoren: Jack Womack
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ziehen wir um?« fragte ich.
    Wir sollten uns noch kein Kopfzerbrechen machen, beschwichtigte er. Noch sei es nicht so weit.
    »Hört auf mit diesen gräßlichen Sorgen, meine Gänschen«, forderte Mama, dann aßen wir zu Ende. Trotzdem werde ich mir Sorgen machen. Und wie! Hier möchte ich nicht einmal für kurze Zeit ausziehen, Anne, weil ich noch nie woanders gewohnt habe. Und Boob will hier noch viel weniger weg als ich.
    Als ich dir dies gestern schon erzählen wollte und gerade zu schreiben anfing, klopfte Boob an meine Tür und bat, bei mir schlafen zu dürfen. Natürlich habe ich es ihr erlaubt, und wir gingen zu Bett. »Kommst du klar, Boob?« wollte ich wissen. Sie nickte, schwieg und machte so deutlich, daß nichts klar ging. Normalerweise hält sie mich die halbe Nacht mit ihrem Geplapper wach, wenn ich sie lasse, aber gestern war es anders. Sie war ganz heiß; mir kam es vor, als liege ein fetter Welpe bei mir im Bett. Dauernd mußte ich sie wegschieben; dauernd kam sie zurückgekuschelt. Arme Boob.
    So war das gestern. Heute haben alle so getan, als sei nichts gewesen. Also mache ich mir wegen des Umzugs doch keine akuten Sorgen mehr. Ich will mir einfach deswegen nicht den Kopf zerbrechen. Morgen werde ich dir wohl nicht schreiben, weil ich erst abwarten möchte, wie es weitergeht.
     

29. Februar
    Hier ist weiter nichts passiert, daher wollte ich dir mal wieder schreiben, bevor du vergißt, daß es mich gibt. Mama und Pappi haben nicht mehr von einem Umzug gesprochen, darum vermute ich, daß sie neulich nur durchgedreht sind und inzwischen etwas anderes ausgeknobelt haben. So sind sie immer. Sie sorgen sich zu Tode, und dann tun sie so, als wäre nie etwas passiert, als sei nie etwas gewesen. Als ich kleiner war, hat mich das immer aufgeregt, aber jetzt bin ich es gewohnt. Die arme Boob hat sich noch nicht mit dieser Art abgefunden; sie ist krank, seit wir darüber geredet haben, wenigstens behauptet sie, krank zu sein; mir kommt sie gesund vor. Sie hat sich da zu sehr hineingesteigert. Gottseidank bin ich ruhig geblieben. Irgendwer muß hier ja die Ruhe bewahren. Sonst gibt es nicht viel, Anne, also bis morgen.
     

7. März
    Gestern hat Katherine bei mir übernachtet. Nach dem Abendessen haben wir noch ein Video geguckt. Sie wollte unbedingt Fantasia sehen, na gut. Ihr gefällt der Film, obwohl so vieles darin so dumm ist. Am Schluß, die Sache mit dem Teufel, die ist wirklich gut, aber dann geht es gleich so kindisch weiter. Aber es war sehr nett. Katherine ist wirklich lustig, wenn sie nicht in der Schule ist oder mit Lori zusammen. Woran das liegt, weiß ich nicht. Sie wirkt weniger nervös oder so. Nach dem Video sind wir auf mein Zimmer und haben uns nachtfein gemacht. Als Katherine ihren Pyjama anzog, sah ich einen langen Striemen auf ihrem Hintern. »Was ist passiert?« wollte ich wissen.
    »Ich bin hingefallen.«
    »Tut's sehr weh?«
    »Geht so.«
    Vorher war mir schon aufgefallen, daß sie nicht richtig auf dem Sofa saß, sondern sich mehr so hinkniete. Es war mir nicht klar, warum, bis ich den Striemen sah. Das muß schon ein ganz besonders übler Sturz gewesen sein.
    Ich fragte sie noch, ob ich auf dem Boden schlafen solle, aber sie bestand darauf, daß ich bei ihr liege, was mich freute. Ich ließ sie hereinschlüpfen, und wir redeten noch lange. Anfangs habe fast nur ich erzählt, obwohl es eh schon besser ist mit ihrer Schweigsamkeit, wenn wir allein sind, als wenn Lori oder ihre Eltern dabei sind oder in der Schule. Wir haben über unsere Lehrer geredet und Mädchen, die wir kennen, vor allem Ekel-Betsy. Ich erzählte, daß Mama und Pappi von einem möglichen Umzug geredet haben, an den ich nicht recht glaube, weil sie sich so vieles einbilden. Meine Englisch-Lehrerin in der Vierten, die Wisegarver, hat schon zu mir gesagt, ich besäße soviel Phantasie, worauf ich damals antwortete, ich hätte sie mir nicht gestohlen. Aber wenigstens weiß ich, was wirklich ist und was nicht. Damit scheine ich gelegentlich die einzige in dieser Familie zu sein.
    Wie auch immer, nach einer Weile spielten Katherine und ich ›Vorstellen‹. Wir kuschelten uns eng aneinander wie in einem Schlafsack. »Stell dir vor, du darfst dir deine Familie erträumen. Wie ist das?« fragte Katherine.
    »Wir leben in Vermont. Pappi sitzt zu Hause und schreibt. Mama ist wunderbar und nett und kümmert sich um uns alle. Sie ist wie eine Dame von einem Wohltätigkeitsverein. Wir sind drei oder vier Kinder mit
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