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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern
Autoren: Jack Womack
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kein Babylein, Boob«, riet ich ihr. Sie rief nach Mamma, aber gab es auf, als Mama einfach nicht reinschaute. Boob ist nur wirklich sauer, wenn sie nicht weint. Andauernd gibt sie die Niagarafälle, was eben nichts heißt. Und wir wissen das. Es hilft ihr nur bei Leuten, die sie nicht kennen. Als sie aus der Wanne stieg, verpaßte sie mir eins mit dem Handtuch, aber ich tat, als bemerke ich sie nicht, und sie ging hinaus.
    Ein stinknormaler Tag. Jetzt liege ich auf meinem Bett und überlege, ob ich eigentlich an alles erinnert werden will, was ich so tue. Mir fällt kein Grund ein, warum nicht.
     

20. Februar
    Jetzt halte ich mich strenger an meinen Schreibvorsatz und schon schreibe ich dir an zwei Tagen hintereinander. Ich habe beschlossen, dir einen Namen zu geben, damit ich nicht das Gefühl habe, gegen eine Wand zu reden, wie Pappi das nennt, wenn er manchmal mit uns redet. Du heißt jetzt Anne, ein guter Name für ein Tagebuch, und niemals werde ich dich jemandem zeigen. Was ich dir erzähle, geht nur dich und mich etwas an.
    Ich möchte dir mehr von mir erzählen, Anne. Du weißt, daß ich zwölf bin und Boob neun. Beide wurden wir in New York im Lennox Hill Krankenhaus geboren, aber unsere Eltern sind von woanders. Mama kommt aus Los Angeles und Pappi aus Chicago. Sie nahmen uns während der Ferien schon an beide Orte mit. Ich mag weder Los Angeles noch Chicago. Das sind schreckliche Orte, und ich freue mich, daß sie niederbrennen.
    Mama war Anglistik-Dozentin an der New Yorker Universität, bis sie im letzten Semester entlassen wurde. Wenn sie unterrichtet, dann lehrt sie Literatur des 20. Jahrhunderts. Zur Zeit versucht sie gerade, eine Anstellung an einer anderen Uni oder Schule zu bekommen, hat aber kein Glück. Außerdem schreibt sie Bücher und Aufsätze über das, was Schriftsteller wirklich machen, wenn sie etwas ganz anderes versuchen. So erklärt sie das jedenfalls. Die Studenten taugten nichts mehr heutzutage, sagt sie. »Liebes, die sind so stumpf, daß du sie am liebsten zwicken möchtest, um festzustellen, ob sie schlafen. Aber, Liebling, andererseits sind sie auch so lieb und so nett, und sie geben sich ja Mühe, und ihr Leben ist dermaßen voller Probleme, daß man sie manchmal mit den schlimmsten Dingen davonkommen lassen muß.«
    Mama sagt, wenn sie etwas lesen, dann lesen sie nicht wirklich. Sie sagt, das Fernsehen radiere ihr Gehirn aus. Dabei schauen sie und Pappi die ganze Zeit über fern. Pappi schreibt fürs Fernsehen. Als sie noch unterrichtete, habe ich sie gefragt, ob Pappi es sei, der die Studenten ablenkt. »Ach Schnuckel, er schreibt so gute Sachen. Die würden sie sich nie ansehen. Keiner sieht sie sich an.« Ihr fehlt die Arbeit, und ich hoffe inständigst, daß sie bald einen Job an einem anderen College oder so kriegt. Aber bis jetzt schaut es nicht gut aus. So sagt jedenfalls Mama.
    Pappi gehört dem Autorenverband an. Er wollte Romane schreiben, aber er sei kein Charles Dickens, sagt Mama. Er schreibt Drehbücher für Filme. Noch keines wurde verfilmt, aber Geld kriegt er trotzdem. Aber er hatte schon Shows im Fernsehen. Voriges Jahr verdiente er viel Geld, aber heuer ist es wenig. So war das schon immer. Ich glaube, Pappi und Mama haben kein Händchen für Geld. Manchmal haben wir mehr davon, als sie ausgeben können, und, schwupp, im nächsten Monat sind wir pleite. Was soll's. Irgendwer schuldet Pappi immer Geld, allerdings schuldet der einem anderen immer eine noch größere Summe. Wenn sich Mama und Pappi unterhalten, dann reden sie immer über Geld, falls sie überhaupt so lange miteinander reden. In letzter Zeit haben sie viel geredet.
    Boob wollte mir heute nacht ihr ›Foeti‹ umschnallen, weil sie sehen wollte, wie ich schwanger aussehe. Ich habe das Ding dermaßen auf den Boden geknallt, daß sie mich wegen Kindsmißhandlung anzeigen wollte. Boob kann ja so unreif sein. Es war ja ganz nett mit ihr zu spielen, als ich kleiner war, aber jetzt mag ich ihre Puppen nicht mehr sehen. Sie dreht deswegen durch, aber ich kann ihr da nicht helfen. Ich liebe sie, aber sie spinnt. Als wir noch ein gemeinsames Zimmer hatten, ist sie vor dem Einschlafen noch zu mir ins Bett gekrochen, um mir von all den netten Dingen zu erzählen, die Pappi zu ihr gesagt hat.
    Sie sagte etwa: »Pappi hat gesagt, ich sei das beste Mädchen, das er kenne. Das hat er mir erzählt. Das beste Mädchen, das er kenne.«
    »Schleich dich, Boob«, habe ich geantwortet.
    »Er wird mich in den Zirkus
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