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Amarilis (German Edition)

Amarilis (German Edition)

Titel: Amarilis (German Edition)
Autoren: Rainer Kempas
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wussten schließlich am besten über die
Antworten Bescheid, die der Kosmos stets zu geben bereit war.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

VI
     
     
    Still lag Gang und Höhle. Die Schatten des Nebels flossen von
Decke und Wand. Wo das Dreieck war, entsprangen sie und zogen sich durch die
Schächte der Finsternis. So brachten sie die Geschäpfe zueinander und verbanden
sie mit der Unendlichkeit des Kosmos. Amarilis war stets da, ein Stern im
Stern.
       Kein Licht kam noch von außen, denn es war bereits in allen,
die hier lebten. Es floß durch ihre Adern, schwebte unsichtbar durch die Katakomben,
zwischen Kälte und Hitze, und fand seinen Weg weiter in den Körpern der
anderen. Denn die Kraft dieses Lichtes war die Weite zu den Sternen. Amarilis
war überall.
       Das Dreieck hing am Ende des Ganges. Knollige Wurzeln
sprossen daraus hervor und verknüpften sich mit der Decke. Über die Ränder der
grauen Schale krochen gelblichschwarze Blätter und zerfaserten in Nähe des Bodens.
In Kelch und Dreieck entstanden bisweilen kleine Wellen, rosa und voll der
zähen Flüssigkeit.
       Hier endeten Gang und Höhle. Hier war nichts entlang der
Mauer außer Dunkelheit und Stille. Hier hatte sich Wand mit Decke vereint,
abgeschlossen von dem, was es nicht auf Amarilis gab.
       Und doch drangen Laute durch die Dicke des Steins, die die
Ruhe der Hallen zerriß. Sie öffneten sich wie ein Korken der Flasche und übergoßen
seinen Inhalt den schattigen Fluren, als stülpte er das Inwendige außen vor.
       Wie eine Lawine losen Gerölls zogen sich die Vibrationen des
Schalls durch die Gänge, vermehrten sich in dem Echo ihrer Wände und grollten
schließlich donnernd in den Kämmerlein und Nischen der Geschöpfe. Die, die
solches hörten, entsetzten sich in blasser Hautfärbung, die, die es nicht
hörten, schliefen.
       Die Laute, die sich in die Länge der Schächte zogen, waren
ihnen garnicht einmal mächtig. Aber sie fühlten deren Häßlichkeit und Schiefe.
Es war nicht das Singen ihrer Kehlen oder das Anschwellen ihrer Hörner. Es war
schwärzer als die Dunkelheit, denn sie konnten es nicht riechen. Vor allem aber
fühlten sie beim Trinken der rosa Tinktur ein Erzittern ihrer Herzen, das sie
bislang noch nicht erlebt hatten.
       Als sich die Laute vermehrten, anschwollen, und ihre Herzen
fast daran brachen, gingen einige mutige dorthin, wo sich das Geräusch
besonders intensiv hielt. Doch nicht vor der endgültigen Mauer, dem riechbaren
Abschluß von Amarilis, war ihnen ein Weiterkommen unmöglich. Bereits eine Weile
davor wurde ihnen der Lärm derart unerträglich, dass sie ihr gewundenes Geweih
schon erheben und sich erzürnen wollten. Aber auf irgendeine zufällige Art musste
in ihrem mittleren Gehirn ein Gedanke entstanden sein, der sie zur Vorsicht
mahnte.
       Sogleich senkten sie wieder ihre Köpfe und verharrten ratlos.
Doch der ruchlose Lärm durchsetzte weiter ihre Sinne. Und nur langsam bahnte
sich die Erkenntnis einen Weg. Die andere Seite des Endes war auch einmal Amarilis
gewesen, das jetzt mit ihnen gegangen war. Doch dort wie hier waren sie
geblieben. Jenseits ihre Toten, hier sie, die noch starben. Dort, in den
Gebeinen ihrer Ahnen, hatten auch sie gelebt, so wie jeder von ihnen einmal in
der unendlichen Zeit geboren worden war.
       Was aber mochte dort eingedrungen sein, wo sie sich einst
hingelegt hatten, um traumlos zu dämmern und auf der anderen Seite der Wand wieder
zu erwachen? Wenn sie für länger schliefen, um die Engung des Ganges zu
überwähren. So, wie sie es immer taten, wenn die Höhlen sich schlossen.
       Wütend kehrten sie zurück, tief in die lautlose Dunkelheit
der Schächte. Auf dem Weg dorthin sogen sie sich voll der Flüssigkeit, wie sie
es noch nie getan hatten. Die Kammern ihrer Hörner, die Windungen und Beutel waren
zum Platzen gefüllt, denn ihre Herzen schmolzen der Lautstärke des Fremden.
       In der Halle, die die riesigste war, und wo die Glut des
Feuers sie erhitzte, schwollen ihre Kämme an und ein kaum an Lust zu
überbietendes Kitzeln begann sich wieder in ihren Körpern auszubreiten. Nur
dieses Mal schien das Flimmern und Kribbeln kein Ende nehmen zu wollen, und
ihre geschwulstartigen Geweihe glühten hellrot in der Pralligkeit des Getränks.
Wie betäubt taumelten sie vor die Schlotöffnung der kuppelartigen Grotte.
       Diese war bereits zum Bersten gefüllt, da es keiner
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