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Amarilis (German Edition)

Amarilis (German Edition)

Titel: Amarilis (German Edition)
Autoren: Rainer Kempas
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des
Positronenmessers gab bereits die höchste Warnstufe und zugleich eine minimale
Distanz zur Pflanze aus. Obwohl sich das Gefühl ihrer Nähe ihnen zusätzlich
beklemmend auf die Brust legte, eilten sie doch wieder schneller voran.
       Sie waren alle derart auf ihren Weg und das Zusammenraffen
ihrer gesamten Kräfte konzentriert, dass sie anfangs nicht den Geröllberg wahrnahmen,
der sich vor ihnen aufbaute. Der ganze Gang vor ihnen war plötzlich
verschüttet. Zunächst begutachtete Dr. Magnusson die Decke auf eine weitere
Einsturzgefahr hin. Nachdem sie den Schutt eingehend untersucht hatten,
entdeckten sie eine kleine Nische, die sie lediglich einwenig vom Gestein
befreien brauchten, um hindurch zu gelangen. Vorsichtig stiegen sie über das
lose Geröll und befanden sich mit einem mal in einer riesigen Halle. Sie waren
bereits mehrere Meter eingetreten, als sie die Wölbung der Decke und die
fehlenden Wände bemerkten.
       Wie sie feststellten, erstreckte sich nun vor ihnen eine
Grotte von schier unglaublichem Ausmaß, deren Ende der Schein ihrer Lampen
nicht mehr erfassen konnte. Nicht unweit von ihnen gewahrten sie ein kleines
Licht, das durch die Fugen des Felsens flackerte. Es war der Widerschein eines
Feuers, das im Erdinneren, hinter den dicken Wänden, seinen Ursprung hatte. Auf
ihren Messgeräten stellten sie fest, dass es dort noch eine geringe vulkanische
Tätigkeit gab.
       Eine Tätigkeit, die aber ausreichte, um das Fortdauern der
Pflanze zu gewähren, um sie am Leben zu erhalten. Steff versuchte, im diffusen Dämmerlicht
etwas zu erkennen. Die Pflanze. Weit vor ihm, in der nebligen Faserung des
Scheinwerfers, war sie zu sehen. Graugelb, von schattiger Farbe, die Blätter
über den rötlichen Lavaboden kriechend, bedeckte sie die Hälfte der
weitflächigen Halle, zog sich an ihren Wänden hoch und hing wie das Auge eines
Zyklopen von der Decke herab.
       Ihre Wurzeln waren tief in den harten Stein der Erdkruste
gegraben und hatten sich einen Weg durch die Wände zum nahen Magma des Vulkans
geschnitten. Die Blätter klebten mit zahllosen Härchen am Fels und waren auch
nicht mehr mit Gewalt von dort zu lösen.
       Sofort begannen die Santoganer, die Pflanzen näher zu
untersuchen. Mit filigranen Geräten berührten sie Stiel und Blatt, Wurzel und
Kelch, strichen behutsam über den Schaft des Gewächses und tauchten dünne, lange
Kanülen in die blütenartige Öffnung, die sich in der Mitte befand. Sie
unterschied sich in nichts vom Rest der Pflanze, weder in Farbe noch Beschaffenheit.
Aber sie führte zu einem kegelförmigen Hohlraum, in dem sie etwas fanden,
wonach sie zwar gesucht, aber nicht zu hoffen gewagt hatten, es auch wirklich
zu finden.
       Flüssiges Plasma! Rosa schimmerte es im Kelch, wie die Essenz
des hohen Springbrunnens auf Santoga. Zähflüssig begann es einwenig zu schaukeln,
wenn einer der Exterraner gegen den Schaft ihrer Blüte stieß. Es schien so zu
sein, wie sie es kannten. Aber hier, in der Tiefe der unterirdischen Höhle, kam
etwas Wesentliches hinzu: Die Pflanze, in der es sich befand, produzierte auch
Positronen! Beinahe andächtig untersuchten die Santoganer das Plasma. Sie
konnten kaum glauben, dass auf ihren Messinstrumenten das spezifische bi-3
Teilchen angezeigt wurde. Sie waren derart glücklich, dass es selbst die
Menschen in ihren ansonsten starren Gesichtern ablesen konnten.
       Vorsichtig tasteten sie sich mit ihren Instrumenten an der
Außenhaut der Pflanze bis in ihren Kelch hinein, verfolgten beinahe liebevoll
die Konturen der Blätter und sezierten akribisch das Innere ihrer Wurzeln.
       Dabei gingen sie aber außerordentlich behutsam vor, denn
keiner von ihnen wusste genau, welche Kraft wirklich in ihr zu stecken und
welche Reaktionen sich aufgrund des Eindringens zu zeitigen vermochten. Denn
obwohl sich die Menschen in ihren undurchlässigen Schutzanzügen bestens gegen
die Emissionen gefeit hatten, waren sie trotzdem besonders gefährdet, falls die
Pflanze zu einer Überreaktion neigen sollte.
       Deshalb wurde sogleich eine schützende Folie aus Metallfäden
um das Operationsgebiet der Santoganer gezogen, die es von den anderen Aktivitäten
absolut abschirmte. Eine Schleuse am Eingang sorgte für einen reibungslosen
Übergang ins Sperrgebiet.
       Derweil gingen die Menschen ihren eigenen Arbeiten nach. Da
für sie der eine Teil der Expedition erfüllt war, wandten sie sich nun dem anderen,
für sie beträchtlich interessanteren zu.
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