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Am Samstag aß der Rabbi nichts

Am Samstag aß der Rabbi nichts

Titel: Am Samstag aß der Rabbi nichts
Autoren: Harry Kemelman
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dicken Lederbände des Talmud wandern. Schließlich zog er einen
Band hervor, setzte sich damit an seinen Arbeitstisch und blätterte, bis er die
gesuchte Stelle fand. Dann wandte er sich Goralsky zu:
    «Ich sagte Ihnen schon, dass Sie nicht an Ihr Versprechen gebunden
sind, wenn es etwas Unmögliches oder etwas Verbotenes ist – erinnern Sie sich?»
    «Natürlich … Es ist nicht unmöglich, den Anbau zu machen.
Ist es verboten?»
    Der Rabbi lächelte. «Ich meine, dass auf diesen besonderen
Fall das Schatnes -Verbot zutrifft.»
    « Schatnes? Hat das nicht mit Kleidung zu tun? Dass
man Leinen und Wolle nicht mischen darf?»
    «Das ist die übliche Anwendung, ja. Aber in der Bibel taucht
die Vorschrift auch in anderem Zusammenhang auf, an zwei Stellen sogar – im
Dritten Buch Mose im Zusammenhang mit dem Verbot, verschiedene Vieharten
zusammen weiden zu lassen und gemischte Samen zu säen. Und im Fünften Buch Mose
steht, dass Ochs und Esel nicht zusammen vor dem Pflug gehen dürfen …» Er
verfiel in einen Singsang: «Wenn die Bibel das Gleiche zweimal sagt, kann es
entweder bedeuten, dass es ein sehr wichtiges Gebot ist oder dass verschiedene
Auslegungsmöglichkeiten gegeben sind. Aber hier ist an den beiden Stellen eben
nicht genau das Gleiche gesagt; wir können es also so auslegen, dass es generell
verboten ist, zwei verschiedenartige Sachen zu mischen …»
    Er lehnte in seinem Stuhl zurück und sprach mit seiner gewöhnlichen
Stimme weiter: «Sie werden fragen, wo liegt da die Grenze? Wir haben es täglich
mit allen möglichen Mischungen zu tun – Lederschuhe mit Gummisohlen, Häuser aus
Holz und Stein. Derlei ist nicht zu vermeiden. Wir brauchen also einen Maßstab,
mit dem wir bestimmen können, wo die alte Regel sinnvoll und anwendbar ist und
wo nicht. Und was wäre ein besserer Maßstab als der gesunde Menschenverstand – wozu
hätte Gott ihn uns sonst gegeben? Nein, Ihr erster Einwand gegen Schwarz’
Projekt war, dass die beiden Gebäude verschieden im Stil sein und nicht
zusammenpassen würden; Sie empfanden es von Anfang an als störend: Somit
erkläre ich es als ein Beispiel von Schatnes und deshalb für verboten.»
    Der Alte kratzte sich am Kopf; langsam breitete sich ein Lächeln
auf seinem runzligen Gesicht aus. «Und im Friedhof steht das Gebäude allein … Rabbi,
es ist zwar ein Pilpul, aber … Wissen Sie, jetzt ist mir auf einmal viel
wohler.»
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