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Am Samstag aß der Rabbi nichts

Am Samstag aß der Rabbi nichts

Titel: Am Samstag aß der Rabbi nichts
Autoren: Harry Kemelman
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Labor geh ich zu Fuß.»
    «Vielen Dank, Dr. Sykes.» Der Rabbi kletterte in den
kleinen Sportwagen und griff zaghaft nach dem Lenkrad. Verwirrt betrachtete er
die vielen Instrumente und Bedienungsknöpfe auf dem Armaturenbrett. Sykes
lehnte neben der offenen Tür und schaute ihm amüsiert zu.
    «Knüppelschaltung mir vier Gängen, Rabbi. Macht mühelos
über hundert Meilen … Kommen Sie, wir helfen Ihrer Frau.»
    «Nein.»
    «Ja, aber … Warum? Was ist los?»
    Der Rabbi war wieder ausgestiegen. «Nein, es geht nicht. Ich
habe Angst, damit zu fahren. Ich trau mich nicht. Wir würden im Graben landen …
Bitte, Dr. Sykes, fahren Sie zum Labor und sagen Sie Lanigan Bescheid. Er wird
schon irgendwas unternehmen … Und jemand soll den Arzt anrufen – Dr. Morton
Seligman. Sagen Sie ihm, dass wir auf dem Weg in die Klinik sind.»
    «Mach ich, Rabbi. Wenn Ihnen das lieber ist …» Sykes kletterte
in den Wagen; der Motor heulte auf. «Viel Glück und alles Gute für Ihre Frau!»,
rief er im Anfahren.
     
    «Immer mit der Ruhe», tröstete Lanigan über die Schulter hinweg
das Paar im Rücksitz des Wagens. «Ich hab meine Laufbahn als Ambulanzfahrer
begonnen und Dutzende von Frauen in die Klinik gebracht … Ich bin zwar kein
Arzt, aber meistens dauert’s lang beim ersten Kind.»
    «Die Wehen kommen jetzt alle zehn Minuten.»
    «Da haben wir noch reichlich Zeit. Wenn’s ernst wird, kommen
sie rascher hintereinander … Außerdem, ich hab auch schon Kinder auf die Welt
gebracht – zweimal, als wir’s nicht rechtzeitig schafften. Sie sind also in
besten Händen.»
    Er wollte Miriam offensichtlich ablenken; der Rabbi merkte
es und war ihm dankbar dafür. Er hatte den einen Arm um seine Frau gelegt und
hielt ihre Hand fest. Sie erreichten die Außenbezirke der Stadt.
    «Wenn Sie wollen, kann ich eine Motorradeskorte anfordern,
dann kommen wir schneller durch», schlug Lanigan vor.
    «Nicht nötig», warf Miriam rasch ein, ehe der Rabbi etwas sagen
konnte. Sie errötete. «Die Wehen haben aufgehört, glaub ich.»
    «Das hat gar nichts zu sagen», versetzte Lanigan. Aber er drosselte
das Tempo und fuhr mit normaler Geschwindigkeit zum Krankenhaus. «Ich warte,
bis Sie wissen, was los ist, Rabbi.»
    Der Rabbi dankte ihm und half Miriam aus dem Wagen. Behutsam
führte er sie die Treppe hinauf.
    Leicht verlegen erklärten sie bei der Anmeldung, dass die Wehen
aufgehört hätten. Das sei nichts Außergewöhnliches, sagte ihnen die Schwester
und ließ Mrs. Small auf ein Zimmer führen. Der Rabbi setzte sich ins
Wartezimmer. Zehn Minuten später trat Dr. Seligman ein. Ein netter junger Arzt,
der Sicherheit und Ruhe ausstrahlte.
    «Die Wehen haben vorläufig aufgehört. Das ist oft so; wir behalten
Ihre Frau die Nacht über hier. Auch wenn die Wehen wieder einsetzen, wird es
Stunden dauern. Es hat keinen Sinn, dass Sie da warten.»
    «Aber … Geht’s ihr gut?»
    «Natürlich geht’s ihr gut! Machen Sie sich keine Sorgen. Wissen
Sie, Rabbi, in meiner ganzen Praxis …»
    «Ich weiß … Sie haben noch nie einen Vater verloren.»
    «Das war mein Text, Rabbi», sagte der Arzt vorwurfsvoll.
     
     
     
     
    36
     
    Der Rabbi setzte sich zu Lanigan in den Wagen. «Der Arzt meint,
es kann noch lange dauern.»
    «Das hab ich mir gedacht. Ich bring Sie noch heim, Rabbi.»
    «Ich rechne es Ihnen hoch an, dass Sie uns abgeholt haben, Lanigan»,
sagte der Rabbi. «Ich war ziemlich verzweifelt.»
    «Er sagt, er hat Ihnen seinen Wagen angeboten, aber Sie wollten
nicht damit fahren … Diese kleinen ausländischen Sportwagen sind im Prinzip
nicht anders als unsere großen Schlitten. Man muss öfter schalten, ja – und die
Lenkung ist direkter. Aber sonst … Das hätten Sie schon geschafft.»
    «Daran zweifle ich nicht. Nur wollte ich einem Mörder nichts
schuldig sein, besonders nicht bei der Geburt meines Kindes.»
    «Einem … Wie war das – Mörder? Sykes?»
    Der Rabbi nickte.
    Lanigan trat auf die Bremse und parkte den Wagen am Straßenrand.
«Packen Sie aus.»
    Der Rabbi lehnte sich zurück. «Der Mann, der Hirsh nach
Hause gefahren hat, muss zu Fuß gewesen sein – wäre er selbst mit dem Wagen
unterwegs gewesen, hätte er ihn stehen lassen müssen. Aber die Fahndung lief ja
schon sehr bald, und die Strecke wurde von Streifenwagen kontrolliert; ein
leerer Wagen hätte der Streife auffallen müssen. Ein Anhalter scheidet auch aus
– auf Fernstraße 128 ist die Anhalterei verboten,
und das wird ziemlich scharf
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