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Am Samstag aß der Rabbi nichts

Am Samstag aß der Rabbi nichts

Titel: Am Samstag aß der Rabbi nichts
Autoren: Harry Kemelman
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überwacht.»
    «Stimmt; Anhalter werden fast immer aufgelesen, ehe sie einen
gefunden haben, der sie mitnimmt. Und?»
    «Die Angestellten von Goddard bringen ihre Wagen zur Inspektion,
zum Abschmieren und so weiter in die Garage von Morris Goldman, weil sie nur
ein paar hundert Meter vom Labor entfernt liegt; sie lassen den Wagen morgens dort,
gehen zu Fuß zur Arbeit und holen ihn abends auf dem Heimweg wieder ab. Auch
wenn’s mal spät wird – Goldman hat lange auf.»
    «Das ist nichts Neues.»
    «Auf dem Weg vom Labor zur Garage kommt man an dem
Rastplatz vorbei, auf dem Hirsh seinen Wagen geparkt hatte – es ist ungefähr
auf halber Strecke. Und nun weiß ich zufällig, dass Sykes seinen Wagen an jenem
Freitag bei Morris Goldman in der Werkstatt hatte. Als ich mich nämlich ans
Steuer setzte, sah ich den Zettel an der Lenksäule – Ölwechsel und Abschmieren,
sorgfältig ausgefüllt, mit Datum: 18 . September. Das war der Tag,
an dem Hirsh gestorben ist.»
    «Moment mal! Das heißt noch nicht, dass Sykes zu Fuß gegangen
ist; er kann seinen Wagen auch nach der Arbeit abgeholt haben – bevor Hirsh
nach dem Abendbrot zum Labor zurückfuhr.»
    «Nein.» Der Rabbi schüttelte den Kopf.
    «Warum nicht? Sie sagten selbst, dass Goldman lange offen
hat.»
    «Aber nicht am Kol-Nidre -Abend. Er musste lange vor sechs
geschlossen haben. Und wir wissen, dass Sykes zu dieser Zeit noch im Labor war,
weil er Mrs. Hirsh anrief und ihrem Mann bestellen ließ, er solle ihn zurückrufen.»
    «Na, und wenn er mit einem Taxi heimgefahren … Was ist
denn jetzt schon wieder?», unterbrach sich Lanigan unwillig, als der Rabbi
abermals energisch den Kopf schüttelte.
    «Die einzige Taxigesellschaft, die praktisch infrage kommt,
ist die von Barnard’s Crossing; ich habe von dem Inhaber selbst erfahren, dass
er an diesem Freitagabend ausschließlich damit beschäftigt war, Leute zur
Synagoge zu bringen – keine anderen Fuhren. Es dürfte leicht nachzuprüfen sein;
der Mann hat nur vier Wagen laufen.»
    «Schön und gut, aber … Mann, das sind doch alles nur Vermutungen!»,
protestierte Lanigan. Er wurde langsam ungeduldig.
    «Auf alle Fälle hatte Sykes am Wochenende keinen Wagen.»
    «Woher wissen Sie das?»
    «Am Freitag hat er ihn nicht mehr abholen können; am Samstag
war Jom Kippur, und Goldman hatte geschlossen. Am Sonntag besuchte mich
Sykes, um Hirshs Begräbnis zu besprechen; er kam per Taxi und fuhr mit einem
Taxi wieder weg; das tut man im Allgemeinen nicht, wenn man einen Wagen hat … Erst
am Montag hatte er ihn wieder – er kam damit zur Beerdigung.»
    Lanigan schwieg eine Weile. «Nach Ihrer Theorie», begann er
schließlich, «und, wohlgemerkt, mehr als eine Theorie ist es einstweilen nicht
… Nach Ihrer Theorie hat also Sykes im Labor gesessen und auf Hirshs Anruf
gewartet. Als er nicht kam, marschierte er los, um seinen Wagen zu holen, und
entdeckte dabei Hirsh auf dem Rastplatz. Er bot Hirsh an – oder Hirsh bat darum
–, ihn nach Hause zu fahren, und …»
    «Und Hirsh verlor unterwegs das Bewusstsein, ja.»
    «Aber aus welchem Grund sollte er ihn umbringen wollen?
Sykes war wahrscheinlich sein bester Freund in Barnard’s Crossing; er hat Hirsh
mehrfach gedeckt – Arnos Quint sagt, er hätte ihn längst rausgeschmissen, wenn
sich Sykes nicht für ihn eingesetzt hätte.»
    «Und warum hat sich Sykes wohl so sehr für ihn
eingesetzt?», fragte der Rabbi.
    «Warum sich Sykes … Wieso? Wie meinen Sie das?»
    «Quint hat Hirsh ein einziges Mal gesprochen – am Tag, an
dem er ihn einstellte. Die Verbindung zwischen Hirsh und Quint ging über den
Abteilungsleiter Sykes. Wenn also Sykes wirklich verhindern wollte, dass Hirsh
flog – warum hat er dessen Fehler überhaupt gemeldet? Warum ließ er es so weit
kommen, dass er ihn ‹decken› musste? Quint ist kein Wissenschaftler – er ist
ein Verwaltungsmann; wenn Sykes etwas für Hirsh tun wollte, brauchte er nur den
Mund zu halten, und Quint hätte nie etwas gemerkt … Nehmen wir doch mal an,
nicht Hirsh, sondern Sykes war an diesen Fehlern schuld: Da wäre es doch sehr
bequem, Hirsh als Sündenbock hinzustellen, nicht wahr?»
    «Umso mehr Grund, ihn leben zu lassen. Warum etwas Nützliches
aufgeben? Quint wollte Hirsh ohnehin rausschmeißen; Sykes wäre aus allem
draußen gewesen.»
    «Na bitte – da haben Sie die Lösung!» Der Rabbi strahlte. «Es
muss diesmal ein großer Fehler gewesen sein – einer, den auch Quint nicht
übersehen konnte. Nun wissen
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