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Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht

Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht

Titel: Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
Autoren: Jon Ewo
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Kante eines Abhangs direkt vor dem Abgrund treibt, er ist zurück.

7.   JERRY STORM, EIN ÜBERBLICK
    Jerry und ich, wir sind im gleichen Jahr geboren, im Mai, mit drei Tagen Unterschied. Er ist der Sohn meiner Tante, die wiederum die Schwester meines Vaters ist. Wir sind verwandt und fast gleich alt. Aber damit ist dann auch schon Schluss mit den Ähnlichkeiten.
    Denn Jerry ist dünn. So dünn, dass man die Rippen zählen kann.
    Er ist groß. Obwohl ich 1,87   m bin, überragt Jerry mich mit seinen 1,96   m deutlich.
    Er ist schnell. Schnell mit dem Mund. Und schnell im Kopf. Ich bin eher eine Schildkröte.
    Jerry muss alles, was ihm über den Weg läuft, ausprobieren. Er muss daran schnuppern, es erforschen, es in die Hände nehmen und befühlen. Jerry gefällt es, wenn kein Tag wie der andere ist.
    Der einzige Bereich, in dem wir uns ziemlich ähnlich sind, der betrifft die Musik   – und zwar die des amerikanischen Gitarristen und Komponisten Frank Zappa. Wir haben fast alle CDs von ihm und auch ein paar der seltenen Platten. Wir haben beide eine lexikalische Übersicht über seine Songs angelegt, die Nicht-Zappafans in die Flucht schlagen könnte. Deshalb will ich hier nicht länger mit allen möglichen Details langweilen. Im Übrigen habe ich seit Anfang des Sommers keine einzige Zappascheibe gespielt, seit ich eine Maus in einem Mauseloch geworden bin. Also, genug davon.
    Jerrys Eltern haben sich jahrelang gefragt, ob er ein Hyperirgendwas ist. Doch Tausende von Tests undMillionen von Besuchen bei ernst dreinschauenden Ärzten haben ergeben, dass er mit 99,99%iger Wahrscheinlichkeit einfach so ist, wie er ist. Ganz einfach heiß aufs Leben.
    In den letzten sechs Jahren hat er mich jeden Sommer für eine Woche besucht. Es gibt den berechtigten Verdacht, dass seine Eltern feiern, wenn er wegfährt. Jerry findet, dass der Besuch eine nette Tradition ist, und ich glaube, dass Jerry mich wirklich mag. Meine Eltern liebt er. Aber für mich ist diese Woche mit einer Horrorwoche beim Militär vergleichbar.
    Doch, ja, ich mag Jerry. Aber immer nur für ein paar Stunden. In der Woche, die wir zusammen sind, verliere ich mehrere Kilos. Man sollte Jerry in kleine Stückchen schneiden und als Schlankheitspulver verkaufen.
    Jerry ist XXL, wenn es um Energie geht.

8.   JERRY FINDET SEINE SPRACHE WIEDER
    »Dieser Ort hat was an sich«, sagt er, während er sich um 360   Grad dreht und dabei den Geruch von Tipling einsaugt, vom Bushaltestellenhäuschen, von frischer Katzenpisse am Straßenrand und gerade gemähtem Gras vom nächsten Nachbarn. »Spürt ihr das?« Er fordert uns dazu auf, in uns hineinzuhorchen, ob wir etwas erahnen, das neu und anders ist. »Riecht mal!«, sagt er.
    Das Merkwürdige an Jerry ist, dass er Leute dazu bringen kann, die Dinge anders zu sehen.
    Nach nur wenigen Sekunden bemerken wir einen unbekannten Duft in Tipling. Etwas Würziges. Etwas Fremdes. Etwas, von dem wir bislang nichts wussten.
    Jerrys Nase schnuppert und schnüffelt wie ein Hund mit Asthma. »Ich habe die ganze Zeit im Bus daran gedacht, nur nicht in dem Moment, als ich den Fahrer dazu bringen wollte, über sein Leben & all die Dinge nachzudenken, über die er sicher noch nie nachgedacht hat, & ich dachte mir, dass es doch wie ein kleines Wunder ist, dass ich jedes Mal, wenn ich hier an Land gehe, fühle, wie die Zeit langsamer läuft. Die Zeit hier geht anders als bei mir zu Hause. Als würdet ihr in einer anderen Dimension leben, die nur über eine Zeitmaschine zu erreichen ist. Das ist so merkwürdig & ich wünschte, ich könnte euch all das beschreiben, was mir da durch den Kopf gegangen ist, während ich im Bus saß & in Richtung Tipling gestarrt habe, das immer näher kam, & dann habe ich an dich gedacht, Bud, du großer Teddybär, & ich habe mir überlegt, dass du mir dieses Jahr all diese unglaublichen Sachen beibringen musst, die mit Motoren zu tun haben, & nicht zuletzt, was eigentlich Autos & andere Fahrzeuge so antreibt. Das ist doch einfach toll zu wissen, wie man Stempel & Muttern & Schrauben in Zylinder raus- & reinhämmert, vielleicht tausend Mal in der Minute, & mir wurde klar, dass ich einfach versuchen muss, das zu verstehen, & Bud ist der Mann, der mir das erklären kann. & ich habe an dich & an das Selma-Mädchen gedacht & mir sind tausend Dinge eingefallen, die ich   …«
    So redet Jerry. Wie bei einem Wasserfall schießen die Meinungen und Gedanken, die er mit uns teilen will, nur so aus ihm heraus. Wir
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