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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht
Autoren: Marcia Muller
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Erinnerungen
verbinden, für einen Dollar überlassen.«
    »Gutes Geschäft. Wie geht’s Ripinsky
überhaupt?«
    Sie war offenbar fest entschlossen,
diesen Plausch fortzuführen, als sei mit ihr alles in bester Ordnung, aber ich
wußte, früher oder später würde sie sich mir anvertrauen. Früher, wenn ich sie
nicht drängte, also spielte ich mit. »Gut geht es ihm. Sie haben ja sicher von
seinem letzten Kreuzzug gehört.«
    »Dieser Menschenrechtssache? Ja. Wie
ist er denn da drauf gekommen?«
    »Ach, er war vor einiger Zeit mal in
einer bösen Klemme, und da haben ihm Leute geholfen, die selbst in einer
ziemlich kritischen Situation waren. Das war der Auslöser.«
    »Vom Ökofreak zum Kreuzritter?«
    »So in der Art.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Typisch
Ripinsky: nach außen stahlhart, aber ein weiches Herz so groß wie Texas.«
    Ich mußte lächeln. Matty war eine
konservative Hard-Linerin, ich ein Bündel buntgemischter Einstellungen,
intellektuell wie emotional. Wir hatten uns schon vor langem geeinigt, nicht
über Politik zu diskutieren.
    Die Bedienung kam, und wir bestellten
wie immer: einen Riesenburger für Matty, ein Calamares-Sandwich für mich, Eistee
für uns beide. Eine gelbe Citabria, wie die von Hy, bis auf die Farbe, war
gerade im Endanflug; wir sahen zu, wie sie aufsetzte und gleich wieder
durchstartete. Ich drehte mich um, um ihr hinterherzugucken, und als ich mich
Matty wieder zuwandte, hatte sie ihre Sonnenbrille abgenommen und musterte
mich.
    Warum? Aus Gewohnheit, um meine
Stimmung abzuschätzen, wie sie es immer vor den Flugstunden getan hatte? Um zu
prüfen, ob ich mich seit unserer letzten Begegnung verändert hatte? Nein, weder
noch. Irgend etwas in ihrem Blick verriet es mir: Sie versuchte herauszufinden,
ob sie mir ihr Problem anvertrauen konnte. Und zwar nicht nur in meiner
Eigenschaft als Freundin, sondern auch als Privatdetektivin.
    »Warum haben Sie mich nicht einfach
geradeheraus gefragt?« sagte ich. »Warum mußten Sie die Prüfung vorschieben?«
    »Was?«
    »Sie haben mich wohl verstanden. Ich
habe Ihnen gesagt, daß die Prüfung erst im März fällig ist. Sie sitzen in
irgendeiner Patsche und wollen mich anheuern. Worum geht es?«
    »Oh, McCone, Sie kennen mich wirklich
gut.« Sie sah sich um. »Aber nicht hier, ja? Hier sind zu viele Leute.«
    »Wo dann? Wann?«
    »Wenn wir gegessen haben. Sie können
mich mit raufnehmen, wir klappern unsere alten Tummelplätze ab. Ich erzähl’s
Ihnen im Flugzeug.«
     
    Ich senkte die Nase der Cessna auf
Geradeausfluglevel, ließ die Maschine Fahrt gewinnen und drosselte sie dann auf
Reisegeschwindigkeit zurück. »Also«, sagte ich zu Matty.
    Sie antwortete nicht.
    Ich nahm Kurs nach Westen, in den
Bereich, wo ich so oft geübt hatte, über dem Farmland, das sich zwischen Los
Alegres und den Küstenbergen erstreckte. Matty hing passiv in ihrem Sitz, den
Kopf gesenkt, die Augen hinter der Sonnenbrille geschlossen. Das war nicht mehr
die Matty, die einst neben mir gesessen, mir Anweisungen erteilt und dabei jede
nur mögliche Gefahr im Auge behalten hatte.
    Ich hielt Ausschau nach anderen
Flugzeugen und ging dann in eine flache Kurve. Ließ den Knüppel locker und die
Maschine allein fliegen. »Okay«, sagte ich, »erzählen Sie von Anfang an.« Das
Schweigen zog sich hin. Es verriet mir, daß ihr Problem schwerwiegend und sehr
persönlicher Natur war. Wenn es um einen ihrer Flugschüler ginge oder etwas mit
dem Teilehersteller zu tun hätte, der ihre Wettkampfstarts, und auch ihre 250 000-Dollar-Spezialmaschine
finanzierte, würde Matty sich nicht so anstellen.
    Schließlich seufzte sie tief und schlug
die Augen auf. »Okay, also gut. Sie wissen, daß ich seit einiger Zeit mit
jemandem zusammenlebe?«
    »Sie haben es auf der Geburtstagskarte
erwähnt, die Sie mir geschickt haben.«
    »Ach, ja, stimmt. Na ja, wir wohnen nun
schon elf Monate zusammen, seit der Woche nach Neujahr. Er heißt John Seabrook
und hat eine Weihnachtsbaumfarm gleich da drüben.« Sie zeigte auf ein großes
dichtbewaldetes Areal am Fuß der Hügel.
    Ich leitete die Kurve aus und ging in
eine mittelsteile Kurve in die Gegenrichtung. »Und?«
    »Er ist verschwunden.«
    »Seit wann?«
    »Gestern vor einer Woche.«
    »Haben Sie Vermißtenanzeige erstattet?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    Achselzucken.
    »Warum nicht, Matty?«
    »...Um das zu verstehen, müßten Sie
John kennen. Er hat ein regelrechtes Ding zu laufen, was seine Privatsphäre
angeht, er redet nie über
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