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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht
Autoren: Marcia Muller
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Alle
haben sich über ihre Geschenke gefreut.«
    »Sind sie sauer, weil ich nicht
runtergekommen bin?«
    »Nein, du hast es nun mal so gewollt.
Ich glaube sogar, es hat niemand gemerkt, daß du nicht da warst. Na ja, außer
Chris.«
    »Chris? Was hat sie gesagt?« Seit ihre
große Schwester nach Berkeley gegangen war, hatte Jamie ein intensives — und
einseitiges — Rivalitätsverhältnis zu ihr.
    »Sie hat gefragt, ob wir dein Geschenk
von deinem Dad aufmachen und unter uns aufteilen können.«
    »Sie hat was?!«
    »Reg dich nicht auf, wir haben’s ja
nicht getan. Wir wollten schon, aber es ist ganz auf dich persönlich
zugeschnitten.«
    »Was ist es?«
    »Ich habe versprochen, nichts zu
verraten.«
    Sie zog eine Schmollschnute. Blitzte
mich einmal kurz an. Stand dann auf, zog ihre Jeans ein Stück hoch und zupfte
an ihrem Hootie-&-the Blowfish-T-Shirt.
    »Na, gut«, verkündete sie. »Dann gehe
ich eben runter und packe das verdammte Ding aus.«
    Als wir ins Wohnzimmer kamen, sah Ricky
freudig-überrascht auf. Jamie bedachte erst ihn mit einem mürrischen Blick,
dann Hy, der sagte: »Was hab ich getan?« In Raes Richtung guckte sie gar nicht
erst.
    Rae sagte: »Hy, gießt du Jamie ein Glas
Sekt ein?«
    Rickys freudige Miene schwand jäh. Er
beäugte seine Tochter wie eine streunende Katze, die sich hier häuslich
niederzulassen drohte, und sagte zu Rae: »Was denkst du dir dabei, meinem Kind
Alkohol einzuflößen?«
    Sie antwortete ungerührt: »Sie ist eine
junge Frau, kein Kind. Mick und Chris haben je ein Glas getrunken; Jamie sollte
auch eins kriegen.«
    Er grunzte.
    Jamie nahm das Sektglas von Hy entgegen
und warf einen mißtrauisch-tastenden Blick in Raes Richtung. Rae schenkte ihr
ein strahlendes Nasekräuselgrinsen und zwinkerte. Ich ging zum Baum und holte
das Geschenk, einen roten Umschlag mit einer grünen Schleife. Jamie nahm ihn
stirnrunzelnd an sich, wohl in der Annahme, daß er Geld enthielt. Was war daran
so persönlich? Doch als sie ihn öffnete und das Briefchen von ihrem Vater las,
errötete sie vor Freude.
    »Echt, Daddy?«
    »Echt.«
    »Danke!«
    »Bedank dich lieber bei Rae. Sie hat
mich darauf gestoßen, was ich falsch gemacht habe, und mir vorgeschlagen, es
wiedergutzumachen. Als ich dich damals im Oktober ganz allein mit meiner
Kreditkarte losgeschickt habe, war ich so mit meinem eigenen Leben beschäftigt
und sehr unsensibel. Das tut mir leid, und ich werde es am Donnerstag
ausbügeln.«
    In seinem Briefchen hatte er
versprochen, den Tag nach Weihnachten ganz mit ihr zu verbringen: Sie würden
zusammen Sachen für ihr Zimmer kaufen, Mittag essen gehen, tun, was immer sie
wollte.
    Jamie zögerte, sah dann Rae an.
»Danke«, sagte sie steif. Dann ging sie, ohne Rae aus den Augen zu lassen, zum
Sofa und ließ sich neben ihren Vater plumpsen. Sie mochte Rae vielleicht immer
noch nicht, fand sie aber eindeutig interessant.
    Ich gähnte und streckte Hy die Hand
hin. »Laß uns das freundliche Angebot mit dem Gästezimmer annehmen.«
    »Klingt gut. Wir stehen früh auf,
fahren zu dir, verfüttern an Ralph und Allie ihre Weihnachtshühnerleber und
setzen uns in unsere Hütte ab.«
     
    Das Lämpchen des Anrufbeantworters
blinkte, als ich ins Haus kam. Ich legte mein Geschenk für Hy auf den
Couchtisch und drückte die Abfragetaste. Das Band spulte noch zurück, als Hy
eintrat, im Arm einen schwarzen Müllsack, der hinten in der Citabria gelegen
hatte, seit er am zweiundzwanzigsten von seiner Ranch gekommen war.
    »Ach«, sagte ich, »du schenkst mir
deinen Müll zu Weihnachten?«
    Er lächelte geheimnisvoll, deponierte
den Müllsack neben meinem Geschenk und wartete auf die Telefonbotschaft.
    Craig Morland: »Sharon, ich erreiche
Sie nirgends, deshalb hinterlasse ich das hier auf Ihren beiden
Anrufbeantwortern. Ich habe heute vormittag mit einem Kumpel in Washington
gesprochen, und er sagt, die Justizbehörden agieren in der Reade-Sache
vorsichtig, aber prompt. Sie haben schon Deals mit zwei Leuten gemacht, die
Reades Beteiligung an dem Auftragsmord-Busineß hieb- und stichfest belegen
können, und auch wegen der Morde an Wildress, Cutter und Matthews wird man ihn
wohl vor Gericht bringen. Wie’s aussieht, wird die Anklage in der
Arkansas-Sache noch vor Neujahr ergehen. Na, ist das ein tolles Geschenk? Frohe
Weihnachten!«
    »Fall abgeschlossen«, sagte ich zu Hy.
»Diesmal wirklich.«
    Er holte Sekt aus dem Kühlschrank, während
ich einen filigranen goldenen Stern in das Fenster zum Meer
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