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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht
Autoren: Marcia Muller
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mir nagen würde.
    Wie ich vorhergesagt hatte, war es
Winthrop Reade mühelos gelungen, seine Anwesenheit droben am Pickerel-See aus
der Welt zu erklären: Er habe sich an diesen Waldbesitz in Minnesota erinnert
und sei mit einem Firmen-Wachmann als Leibwächter auf gut Glück dorthin
geflogen. Falls Dune sich dorthin geflüchtet hätte, habe er ihn überreden
wollen, sich zu stellen, damit er seinen todkranken Vater noch einmal sehen
könne. Die ermittelnden Beamten hatten ihm die Story abgenommen, und ich hatte
mich bereit erklärt, die Anzeige wegen tätlichen Angriffs zurückzuziehen. Sie
aufrechtzuerhalten, wäre sinnlos und gefährlich gewesen.
    Während der anderthalb Tage, die Hy und
ich der örtlichen Polizei und dem FBI Rede und Antwort gestanden hatten, waren
die angekündigten Schneestürme gekommen. Eine Zeitlang war sogar der
Flugbetrieb auf dem Twin-Cities-Flughafen eingestellt worden, aber unsere
Maschine nach San Francisco war eine der ersten gewesen, die wieder starten
konnten, und wir hatten alles getan, um rechtzeitig an Bord zu sein.
    In San Francisco hatten wir uns am
Flughafen mit Zach, Hank und Habiba, die auf ihren verzögerten Abflug nach
Minneapolis warteten, zu einem späten Mittagessen getroffen. Als Zachs Anwalt
hatte sich Hank bereit erklärt, den Jungen zu dem Wiedersehen mit seinem Vater
zu begleiten und so lange bei ihm zu bleiben, bis Ash Walker reisefähig war —
eine Frage von Tagen, wie mir der Arzt sagte. Im letzten Moment hatte Habiba
gebettelt, auch mit zu dürfen, und Hank hatte eingewilligt. Er wolle, sagte er,
die Freundschaft der beiden Kids fördern. Habiba sei eine starke, stabile
kleine Person und würde Zach in der schmerzlichen Umstellungsphase vor und nach
seiner Heimkehr eine Stütze sein können. Obwohl Wes und Karla Payne das
Farmhaus wieder in Ordnung bringen wollten, würde es Zach und Ash doch zunächst
riesig, leer und seines Zentrums beraubt erscheinen.
    Mit solchen Erinnerungen und
Zukunftsgedanken im Kopf, war es da ein Wunder, wenn ich nicht schlafen konnte?
    Schließlich angelte ich nach meinem
Walkman, der wieder auf seinem üblichen Platz auf dem Nachttisch lag. Ich hatte
ihn kreuz und quer durch die Staaten mit mir herumgeschleppt und kein
einzigesmal benutzt, aber heute abend würde er mir das Abschalten erleichtern.
Ich konnte mich nicht erinnern, welche Kassette drinsteckte, nahm aber an, daß
es die mit der sentimentalen Musik und den Meeresgeräuschen war, die ich zu
hören pflegte, wenn ich Heimweh nach unserem Häuschen hatte. Ich setzte die
Kopfhörer auf, grabbelte nach der Play-Taste und legte mich wieder hin. Eine
Frauenstimme sagte: »Vertrauliches Gespräch mit Quentin Ramsey —«
    Was war das? Oder genauer gesagt, wer
war das?
    »...früher Controller bei Stirling
Aviation —«
    Iona Fowler, die Reporterin aus
Arkansas, die mir gesagt hatte, ihre sämtlichen Materialbänder in Sachen
Stirling seien dem Brand zum Opfer gefallen. Ich ließ den Recorder
weiterlaufen, hörte die Datumsangabe und weitere erklärende Informationen.
    Okay, es war Fowler, und das hier war
ein Band aus der Zeit vor der Anklageerhebung. Aber wie —
    Oh, klar. An dem Abend, nachdem ich bei
ihr gewesen war, war mir bei meinem Spaziergang in der Gegend um den
Postamtsplatz von Fayetteville jemand gefolgt. Und später hatte ich dann
gemerkt, daß sich jemand an gewissen Dingen in meinem Hotelzimmer — unter
anderem dem Kassettenstapel neben dem Recorder auf dem Nachttisch — zu schaffen
gemacht hatte. Es war kein Lakai von David Sterling und Winthrop Reade oder
Calder Franklin gewesen; es war Iona Fowler gewesen, und vermutlich hatte sie
ihren Lebensgefährten beauftragt, mich im Auge zu behalten, während sie es
irgendwie geschafft hatte, in mein Zimmer zu kommen und mir dieses Beweisstück
zuzuspielen.
    Zu blöd, daß ich nicht schon früher das
Bedürfnis gehabt hatte, meine Beruhigungskassetten zu hören. Wenn Fowler sich
solche Mühe gemacht hatte, mußte auf diesem Band etwas sehr Interessantes sein.
Ich drückte wieder die Play-Taste.
     
    »Und du versprichst mir, daß das unter
uns bleibt, Iona?«
    »Ich garantier’s dir. Alles, was du mir
erzählst, ist reine Hintergrundinformation. Falls ich je darauf zurückgreife,
werde ich selbst Beweise auftreiben. Also, als du Controller bei Stirling
warst, hat Dune da von dir eine gewisse kreative Buchführung verlangt?«
    »Klar. Ohne meine Hilfe hätte er die
Geschäfte nie kaschieren können. Aber wenn du das
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