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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht
Autoren: Marcia Muller
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sehen, und Reade und das arme Schwein, das bei der
Bruchlandung umgekommen ist, waren schon vor uns dort. Für jemanden, den wir
nicht kannten, war es leicht mitzuhören, wie ich von Iron Range Aviations aus
eine Wetterberatung für Arrowhead eingeholt habe.«
    »Und dann haben dieser Typ und Reade
vermutlich diese Schneesturmnacht dort zugebracht, sich ein bißchen umgehört
und von den beiden Leutchen aus Minnetonka erfahren, die sich nach ihrem
unzuverlässigen Freund John und dem Einsiedler erkundigt hatten.«
    »Wer war dieser andere Typ in der
Maschine überhaupt?«
    »Ich habe gehört, wie Reade behauptet
hat, er sei vom Sicherheitsdienst der Firma, aber ich wette, er war ein
Profikiller, der Dune umlegen sollte. Leute wie Reade machen die Drecksarbeit
nie selbst, auch wenn sie gern dabei zugucken, wie sie gemacht wird.«
    Hy zog sich ein Stück zurück und sah
mir in die Augen. »Solche Typen lassen notfalls jeden über die Klinge springen,
McCone. Schau dir diesen Crash mal genau an: Auf dieser Straße herrscht
Seitenwind von Süden; er hätte normalerweise die linke Tragfläche abkippen
müssen. Aber sie sind mit der rechten Seite aufgekommen.«
    »Er hat auf der anderen Seite Querruder
gegeben, um sich selbst zu retten.«
    Hy nickte grimmig und angewidert. Bei
einem drohenden Absturz würde jeder gute Pilot — jeder anständige Mensch —
alles für das Überleben der Passagiere tun.
    Wie schauten ein Weilchen schweigend
auf das Wrack, das hier liegenbleiben würde, bis die Ermittler der
Verkehrssicherheitsbehörde dazu kamen, es zu untersuchen. Dann sagte Hy: »Reade
muß ein maßlos arroganter Pinsel sein, um sich einzubilden, ein Kufenflugzeug
bei dem Seitenwind landen zu können. Ich bezweifle, daß er in Arkansas viel
Gelegenheit gehabt hat, so was zu üben.«
    »Arroganz und Dummheit führen leicht
zum Absturz — im wahrsten Sinn des Wortes.«
    »Aber die Sache ist noch nicht
abgeschlossen. Dune Stirling ist immer noch irgendwo dort draußen, ein Mörder,
der frei herumläuft.«
    Ich biß mir auf die Lippe.
    »Was ist?«
    »Da ist noch was, was ich dir nicht
erzählt habe.«
     
    Wir standen in dem Schuppen neben
Duncan Stirlings steifgefrorenem Leichnam.
    Hy sagte: »Nur ein Schuß, vermutlich
aus Dunes eigenem Gewehr — dem, das Ash im Hangar liegen hatte. Sauber und
effizient. Eine Hinrichtung.«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es
ist in der Hütte passiert. Vielleicht hat Dune ihn ja überrascht, als er dort
herumgesucht hat. Vielleicht gab es ja irgendeine Form von Auseinandersetzung.«
    »Sicher.«
    »Hör mal, ich weiß, du kannst Walker
nicht leiden. Ich auch nicht. Er ist, offen gestanden, kein sonderlich
sympathischer Mensch. Aber er hat auch eine anständige Seite, das weißt du so
gut wie ich. Er hat es zum Beispiel nicht über sich gebracht, in der Hütte zu
schlafen, wo er Dune umgebracht hat.«
    »Vielleicht war ihm ja der Kerosinofen
im Hangar lieber. Der qualmt nicht so wie ein Holzofen und verlangt nicht so
viel Aufmerksamkeit.«
    »Ach, komm schon, Ripinsky. Was glaubst
du, warum er einen Drink — oder sogar mehrere — brauchte, als er zurückkam, um
sich Nahrungsmittel zu holen?«
    »Du meinst das Glas auf dem Tisch?«
    »Ja. Denk doch mal drüber nach.«
    »Okay, vielleicht hat er ja
Gewissensbisse —«
    »Genauso, wie du und ich sie hätten.«
    Er antwortete nicht, fixierte immer
noch den Leichnam. »Glaubst du wirklich, wir hätten anders gehandelt, wenn wir
Stirling gegenübergestanden hätten?«
    Immer noch Schweigen.
    »Zach braucht seinen Vater, Ripinsky.«
    »...Okay. Was sollen wir tun?«
     
    »Erledigt.« Hy ließ Dune Stirlings Arme
los. Der Leichnam fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden und lag jetzt auf
dem Rücken in der dichten Birkengruppe ein paar hundert Meter von der Hütte.
    Ich sah zum Himmel empor; er bewölkte
sich rasch wieder. »Der Schneesturm, vor dem uns der Hubschrauberpilot gewarnt
hat, wird wohl heute nacht kommen. Es soll ein ziemlich heftiger sein, der
erste einer ganzen Serie. Sie werden Stirling nicht vor der Schneeschmelze
finden — wenn überhaupt.«
    Hy nahm die Enfield von der Schulter und
legte sie neben den Leichnam.
    »Wir machen besser, daß wir hier
wegkommen«, sagte ich. »Es wird schon schwer genug sein, von dieser Straße zu
starten, auch ohne Schneesturm.«
    »Keine Bange, McCone.« Er trat zu mir
und legte mir den Arm um die Schultern. »So ein altes Schlachtroß wie ich macht
das schon. Als Pilot bin ich diesem
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