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Am Anfang war die Mail

Am Anfang war die Mail

Titel: Am Anfang war die Mail
Autoren: Tanja Nasir
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waren, schob er mich sanft in die Bahn. Jo griff nach meiner Hand und wünschte mir eine gute Nacht. Ich trat ein Stück zurück, er zog seine Hand weg, und die Türen schlossen sich. Die Bahn fuhr an, und er winkte. Ich spürte ein Stück Papier in meiner Hand. Wie in Trance starrte ich es an. Schließlich faltete ich den kleinen Zettel auseinander und las: »0177-…«
    ›Oh, mein Gott!‹
    Darunter stand: »Josh.«
    Er hatte mir seine Handynummer zugesteckt. Meine Beine wurden weich. Mit einem breiten Grinsen plumpste ich auf einen freien Sitz und drückte auf Start meines Mp3-Players. Ich hörte das Schlagzeug und konnte nicht glauben, dass das alles tatsächlich passiert war. Mir war klar, dass ich mich verliebt hatte. Besonders in sein Lachen! Er hatte das natürlichste, ansteckendste und schönste Lachen, das ich je gehört hatte. Ich musste mich bremsen, ihm nicht sofort eine SMS zu schicken. Die Versuchung war groß, ich schaltete mein Handy lieber aus.

    Die Fahrt dauerte 35 Minuten, und ich grinste ununterbrochen vor mich hin. Andere Fahrgäste musterten mich. Ich kam mir total albern vor, aber darüber musste ich noch mehr grinsen. Mir taten schon die Wangen weh, die ganze Muskulatur im Gesicht. Ich biss mir verzweifelt innen auf die Wange, auf die Zunge, auf die Lippe, … es half alles nichts. Das Grinsen brach durch. Und diese Tatsache fand ich wiederum so absurd, dass ich noch stärker lächeln musste. Ein Teufelskreis!

    Ich ließ das Gespräch zwischen Josh und mir im Geiste Revue passieren. Konnte nicht aufhören, an ihn zu denken. Und als ich später im Bett lag, wusste ich, dass das der schönste Abend meines Lebens war.

    Kurz vor dem Einschlafen bekam ich starke Kopfschmerzen, die mich wieder auf andere Gedanken brachten …

Wie sollte es weitergehen?

    S ONNTAG KONNTE ICH mich noch zurückhalten. Den Zettel mit seiner Handynummer hatte ich in meiner Sockenschublade ganz unten versteckt. Ich lenkte mich ab, indem ich meine gesamte Wohnung putzte. Sorgfältig arbeitete ich mich von Zimmer zu Zimmer vor und eliminierte erbarmungslos jedes Staubkorn. Ganz schwer, die Beherrschung nicht zu verlieren, wurde es am Abend. Ich saß alleine vor dem Fernseher und dachte an Josh. Seine Handynummer schien mich zu rufen. Deutlich hörte ich sie aus dem Schlafzimmer. Aber gaben einem die Freundinnen nicht immer den Tipp, sich interessant zu machen, in dem man die Kerle zappeln lässt? Hieß es nicht, man solle ruhig ein paar Tage vergehen lassen?
    Ich nahm mein Handy vom Tisch und öffnete den SMS-Editor. Geschlagene fünf Minuten überlegte ich, was ich schreiben könnte.
    Meine innere Stimme sagte: »Wenn dir spontan nichts einfällt, lass es lieber.«
    Seufzend legte ich mein Mobiltelefon neben mich. Ich würde ihm erst dann schreiben, wenn ich etwas zu sagen hatte.
    Das war Montagabend der Fall. Ich bedankte mich noch einmal für das Treffen und fragte nach seinem restlichen Wochenende. Geschlagene acht Minuten starrte ich auf mein Handy und hoffte auf eine Antwort. Die ersten vier Minuten blinzelte ich nicht einmal. Doch es kam nichts zurück!
    ›Okay, keine Panik. Er ist sehr beschäftigt. Verdammte Scheiße, er ist berühmt ! Zwar kein Weltstar, aber berühmt!‹ In meinem Kopf drehte alles durch. Was hatte ich mir nur gedacht? Mein Gott, ich bildete mir ein, dass er mich interessant fand. ›Schwachsinn, von dem werde ich nie wieder hören, … aber warum hat er mir seine Nummer gegeben?‹
    Aua, wieder ein stechender Schmerz im Kopf. Ich massierte meine Schläfen und legte mich auf die Couch. Im Fernsehen liefen ›Die Simpsons‹. Ich kuschelte mich in meine Fleecedecke und döste ein.
    Zwei Stunden später. Gleich würden die Spielfilme beginnen. Noch immer keine Antwort. Die Hoffnung verließ mich. ›Für eine kurze SMS ist doch wohl Zeit.‹
    Ich holte mir eine Tafel Schokolade aus der Küche, pflanzte mich wieder vor den Fernseher und grübelte. Die Kopfschmerzen hatten nachgelassen.

    Ich hatte mich bei dem Konzert zum Deppen gemacht. Jedoch hatte er sich trotzdem mit mir getroffen. Das musste doch bedeuten, dass er mich interessant fand, oder?! Und dann hatte er mir nach unserem Essen seine Handynummer gegeben. Also fand er mich doch auch nett, oder?! Damit hatte er signalisiert, dass er Kontakt wollte. Oder war es gar nicht seine Nummer? Hatte er mich verarscht und mir die Nummer von einem Kumpel gegeben? Oder eine nicht existente? Sollte ich einmal anrufen und prüfen, ob es klingelte?
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