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Am Anfang war die Mail

Am Anfang war die Mail

Titel: Am Anfang war die Mail
Autoren: Tanja Nasir
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sonnigen Morgen und ich ihm einen stressfreien Tag. Dann erkundigte er sich, was ich zu Mittag gegessen hatte, und ich fragte, ob er seinen Kaffee am Nachmittag bekommen hatte. Abends wünschte ich ihm viel Spaß bei den Konzerten, und meistens las ich im Halbschlaf mit einem Auge, wie er mir eine gute Nacht wünschte.

    Donnerstagabend stieß ich im Fernsehen zufällig auf eine Reportage über Veranstaltungstechnik. Es ging um den Aufbau von Licht- und Tonanlagen im Rahmen von Konzerten und Festivals. Die Firma, über die berichtet wurde, war zufälligerweise für die Tour von ›DTA‹ zuständig. Ich aß Weintrauben und schaute mir den Beitrag interessiert an. Als ein kurzes Interview mit der Band eingespielt wurde, rutschte mir eine Traube in die Luftröhre. ›Da ist Josh! In meinem Fernseher.‹
    Röchelnd rang ich auf der Couch um mein Leben. Ich konnte nicht fassen, dass ich mit dem Typen essen war. Dass er mir Kurznachrichten schrieb. Ich konnte nicht fassen, dass ich mich am nächsten Abend mit ihm treffen würde. Bei dem Gedanken daran wurde mir direkt schlecht, und ich musste würgen. Wenigstens gab die Traube dadurch den Weg in die Luftröhre frei.
    Wieso wird einem eigentlich schlecht, wenn man überglücklich ist? Uah, ich konnte die Gefühlswelt einfach nicht verstehen. Wussten meine Emotionen denn nicht, dass ich schon erwachsen war? Waren meine Hormone in der Pubertät hängen geblieben? Gerade als ich den Fernseher ausschaltete, klingelte mein Telefon. Mein Display verriet mir, dass es Joshua war. Mir war sofort klar, was los war: Er würde das Date absagen.
    »Hey Josh.« Ich versuchte, normal zu klingen.
    »Nadia. Ich hoffe, ich störe dich nicht? Tut mir leid, dass ich dich noch so spät anrufe!«
    Ich schaute auf die Uhr. Es war Viertel nach zehn. »Ich bin unter 30. Noch verkrafte ich das!«
    Er lachte. Meine Beine wurden weich, und ich setzte mich auf die Sofakante.
    »Was kann ich für dich tun, Josh?« Ich betete einen Satz rauf und runter: ›Bitte sag nicht ab! Bitte sag nicht ab! Bitte sag nicht ab!‹
    »Es geht um morgen …«
    ›Oh nein, ich hatte es geahnt!‹
    »Ich habe nicht so viel Lust …«
    ›Oh Gott, es wird immer schlimmer! Jetzt hat er schon keine Lust mehr!‹
    »… unter Menschen zu sein! Die Tour ist wirklich anstrengend, und ich bin den ganzen Tag mit den Jungs zusammen oder bei Interviews. Ich wollte wissen, ob du einen DVD-Player organisieren kannst. Ich würde gerne einen gemütlichen Abend machen. Ich habe mir ein Zimmer in einem Hotel gebucht. Natürlich nur, wenn dir das recht ist?!«
    Ich hing auf meiner Couch und wollte mich übergeben. Mein Mund war ausgetrocknet, und ich bemerkte, dass ich schon wieder aufgehört hatte zu atmen. Wenn das so weiterging, würden bei jedem Telefonat mit Josh zig Gehirnzellen absterben.
    »Nadia?« Er klang leicht besorgt.
    Ich nahm mich zusammen und versorgte meine Lunge wieder mit Sauerstoff.
    »Klar, ich …« Mein Hals war so trocken, dass ich einfach nicht sprechen konnte. Ich schnappte mir mein Glas Wasser vom Tisch und trank einen Schluck. Josh wartete geduldig. »So, ... sorry. Ich musste kurz etwas trinken!«
    »Hab ich dich überrumpelt? Also, falls du nicht möchtest, können wir natürlich auch etwas unternehmen und ausgehen.«
    »Ach nein, schon okay, … klar kann ich einen DVD-Spieler mitbringen.«
    Josh schien noch nicht überzeugt. »Also, falls es dir unangenehm ist, mit mir alleine zu sein …«
    ›Unangenehm? Ich, alleine mit meinem Traumtypen. Hallooo ??‹
    »Nein, gar nicht! Ich freue mich sehr!« Ich grinste dumm und war froh, dass er mich nicht sehen konnte.
    »Wunderbar! Dann sehen wir uns morgen. Ich freu mich auch. Schlaf schön.«
    »Danke, du auch.«
    Wir legten auf. Einen Moment stand ich mit dem Telefon in der Hand da und war unfähig, mich zu bewegen. Dann hyperventilierte ich. Nach Luft japsend lief ich im Wohnzimmer auf und ab. Da ich in Filmen gesehen hatte, dass es hilft, in eine braune Papiertüte zu atmen, suchte ich in der Küche nach einer. Natürlich besaß ich nur weiße Plastiktüten, aber damit funktionierte es auch. Wie einen Trichter stülpte ich sie mir vor den Mund und atmete dort hinein. Nach wenigen Minuten ging es besser. Jetzt war mir allerdings schwindelig. Ich setzte mich mit einem frischen Glas Wasser auf einen Küchenstuhl und versuchte, mich zu beruhigen.
    ›Joshua und ich. Im Hotel. Alleine !‹ Nein, dieser Gedanke half mir nicht bei der Beruhigung. Ich ging ins
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