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Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)

Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)

Titel: Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
Autoren: Philip Carter
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konnte er durchaus zwanzig Jahre in genau dem Lager verbringen, das er jetzt bewachen half.
    An der Tür drehte er sich um. » Sie sterben nicht alle, wissen Sie. Die Zeks. Wenn man seine Quote erfüllt und die Regeln einhält, muss man nicht sterben.«
    Er hielt inne, als wartete er auf eine Antwort von ihr, aber Angst schnürte Lena die Kehle zu. Er weiß etwas, dachte sie. Es kann nicht anders sein. Nur wie sollte er etwas wissen, wenn Nikolai nicht geredet hatte?
    Aber Nikolai würde niemals reden, denn von ihnen beiden hatte er mehr zu verlieren. Wenn man sie dabei erwischte, dass sie einem Gefangenen zur Flucht verhalf, würde man sie vor Gericht stellen und zu zwanzig Jahren in einem Lager für Frauen so tief in Sibirien verurteilen, dass sie nie mehr herausfand. Aber für Nikolai würde es kein Verfahren, kein Urteil geben. Sie würden ihn schlicht hierher zurückschleifen, neben ein offenes Grab stellen und erschießen.
    Der Sergeant stand immer noch an der halb offenen Tür, durch die die Kälte eindrang, aber schließlich drehte er sich um und ging.
    Sie wartete noch eine Weile, nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, für den Fall, dass er zurückkam. Dann stellte sie die Bettpfanne ab und rannte durch den ganzen Raum zum hintersten Bett links neben der Wand, zu dem Mann, dessen sie sich bei jedem Atemzug und mit jedem Nervenende bewusst gewesen war, seit sie die Krankenstube betreten hatte.
    Er sah aus wie der Tod.
    Nein, nein. Das kam nur daher, weil hier hinten so wenig Licht war, so weit entfernt von den Lampen und vom Ofen. Und er schlief, das war alles. Er schlief nur.
    Lena nahm das Krankenblatt zur Hand, um zu sehen, was der Lagerarzt bei der Aufnahme am Morgen geschrieben hatte. Nikolai Popow, Gefangener #35672. Fieber, leicht entzündete Lungen.
    Sie warf das Krankenblatt zurück aufs Bett und beugte sich über ihn, um ihm die Hand auf die Stirn zu legen. Er hatte tatsächlich Fieber und schwitzte trotz der Kälte, aber das war zu erwarten gewesen. Er hatte sich krank genug machen müssen, um überhaupt ins Krankenrevier aufgenommen zu werden, und unter den Gefangenen war das Wissen überliefert, dass man Fieber erzeugen konnte, wenn man eine bestimmte Dosis Kochsalz schluckte. Nikolai hatte gescherzt, alles sei besser, als sich mit einer Axt die Zehen abzuhacken.
    Aber ein Fieber verwandelte sich sehr leicht in eine Lungenentzündung.
    Sie berührte ihn wieder. » Nikki?«
    Er regte sich, und sie hörte Eis brechen, als er den Kopf hob. Sein nass geschwitztes Haar war an das Bettgestell gefroren. » Lena«, sagte er. » Ist es so weit? Ist es Zeit?«
    Es gefiel Lena nicht, wie nass sich sein Husten anhörte, aber sie sah, dass seine Augen klar waren. » Es ist schon über die Zeit. Dieser verdammte Sergeant. Ich dachte, er würde nie mehr gehen.«
    Sie sah auf ihre Armbanduhr. Es blieben ihnen weniger als fünfzehn Minuten. Tun Sie nicht, was Sie vorhaben, Lena Orlowa. Tun Sie es nicht …
    Nikolai warf die scheußliche braune Decke von sich und schwang die Beine aus dem Bett. Er grinste schief. » Du verlierst mir jetzt nicht die Nerven, oder?«
    » Auf keinen Fall.« Sie erwiderte sein Lächeln. Und diesmal glaubte sie, mehr hinter dem Funkeln in seinen Augen zu erkennen.
    Sie hätte gern geglaubt, dass es Liebe war.
    Nikolai tat, als würde er kraftlos an ihr hängen, als sie ihm auf die Beine half. Sie würde sagen, dass er Typhus hatte und dass sie ihn auf die Quarantänestation brachte, falls jemand sie zur Rede stellte. Aber die in Decken gehüllten Gestalten auf den anderen Bettgestellen schliefen entweder oder stellten sich schlafend.
    Rasch führte sie ihn zu einem Lagerraum, der kaum größer als ein Schrank war. Hier drin, so weit weg vom Ofen, umkränzten weiße Wolken ihre Köpfe, und kalte Luft stieg vom Boden auf.
    Der Lagerraum war vollgestopft mit Zeug: ein alter Schreibtisch und ein Stuhl, Stapel von Mehltau befallener Decken, verrottende Dateikästen, ein paar verbeulte metallene Werkzeugschränkchen. Es gab ein Fenster, das gerade groß genug war, dass sie sich hindurchquetschen konnten.
    Sie schob einen Stapel Jutetaschen und eine Schachtel vermodernder Zeitungen beiseite, und darunter kam ein Plakat von Josef Stalin zum Vorschein, der die sowjetischen Arbeiter grüßte. Sie glaubte Nikolai aufstöhnen zu hören, als sie das Gesicht des Großen Führers in zwei Teile riss, und lächelte für sich. Vielleicht bist du doch nicht ganz der wilde Rebell, als den du
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