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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda
Autoren: Magdalen Nabb
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Elettras Geld allein hätte nie gereicht. Ich weiß, ich hätte mich mehr bemühen müssen, aber daß ich Mutter im Stich lassen und mein Erbe retten wollte, das ist einfach nicht wahr.«
    »Wenn Sie es sagen – im Zweifel für den Angeklagten, Sie wissen ja. Und ich nehme an, Ihre Mutter hätte sich lieber umbringen lassen, als mit einem solchen Verdacht leben zu müssen. Hören Sie, viele Menschen sterben während so einer Geiselhaft, und diejenigen, die sie überleben, haben nur eine geringe Chance auf völlige Genesung. Wenn Sie jetzt nicht da reingehen und Ihrer Mutter sagen, daß Sie sie bei sich haben wollen – und sie spätestens morgen heimholen –, wenn Sie jetzt nicht tun, was sich für einen Sohn gehört, dann haben Sie diese geringe Chance für immer zerstört.«
    »Aber es würde soviel besser funktionieren, wenn ich zuerst die Probleme mit Caterina lösen könnte. Und danach…«
    »Es gibt kein Danach! Sie müssen jetzt handeln, in dem einen Augenblick ihres Lebens, wo Ihre Mutter nicht die starke, kompetente Geschäftsfrau ist, die Sie in ihr sehen, sondern ein angeschlagener, verletzlicher Mensch, der nur eine Hoffnung auf Heilung hat: Sie!«
    Er wußte, daß er kein Recht hatte, den jungen Mann so hart anzugehen, aber er konnte sich nicht mäßigen. Die Angst, die in seinen Eingeweiden rumorte, trieb ihn an – mehr noch: Die Frau, die elend und gebrochen dort oben in einem Klinikbett lag, hatte Teresas Gesicht angenommen, und es war, als würde er den eigenen Söhnen ins Gewissen reden, weil er schließlich nicht ewig leben und auf sie einwirken konnte. »Außerdem« – er griff jetzt nach dem erstbesten Strohhalm, weil er merkte, daß sein Appell auf Leo keinen Eindruck machte –, »außerdem hat der Arzt sie bereits entlassen. Krankenhausbetten sind knapp, die kann man nicht ohne Grund weiterbelegen.«
    »Doch, das läßt sich einrichten, ich habe bereits mit dem Doktor gesprochen. Wir zahlen das Zimmer privat.«
    Entsetzt sah der Maresciallo ihn an. Als er ihn kennenlernte, war Leo weichherzig und offen gewesen, ein Mensch, dem die Ehrlichkeit aus den Augen strahlte. Nur waren seine Augen jetzt so stumpf und ausdruckslos wie an dem Tag, als er im Hof des Palazzos zusammengebrochen war. Der Maresciallo hatte das Gefühl, in die leeren Fensterhöhlen einer Ruine zu blicken. Es war sinnlos, er konnte Leonardo nicht erreichen.
    »Sie wissen ja nicht, wie schwierig meine Schwester sein kann. Sie ist furchtbar eifersüchtig.«
    »Ja.« Über das Ausmaß dieser Eifersucht wußte der Maresciallo sehr viel mehr als ihr Bruder, aber davon würde nie jemand etwas erfahren.
    »Mit der Zeit wird sie sich schon beruhigen. Aber wenn meine Mutter jetzt nach Hause käme und sähe, was… die Kräche, die Spannungen… es wäre unerträglich.«
    Ja, unerträglich für dich, dachte der Maresciallo, aber er war so wütend, daß er lieber schwieg.
    »Ihr Schmuck ist weg und ihre Kleider, und wer weiß, was sonst noch fehlt. Das Mädchen, das könnte ich vielleicht zurückholen, aber ich kann den Pförtner nicht einfach rauswerfen…«
    »Ja, das könnte sie in der Tat stutzig machen«, sagte der Maresciallo mit betont sachlicher Stimme, »daß man das Lösegeld nicht zusammenbekommt, aber sich plötzlich einen Pförtner leisten kann.«
    »Ich habe alles flüssiggemacht, was ich besitze, aber ich sag Ihnen ja, es reichte vorn und hinten nicht! Und Caterina war sicher, daß diese Verbrecher Mutter sowieso umbringen würden. ›Vielleicht ist sie schon tot‹ – immer wieder hat sie das gesagt. Warum hätte ich ihr nicht glauben sollen?«
    »Weil Entführer keine Mörder sind! Zugegeben, wenn die Lösegeldzahlung nicht ihren Forderungen entspricht, dann kommt es manchmal zu Gewaltmaßnahmen – um die Angehörigen gefügig zu machen, um eine größere Summe zu erpressen – aber Mord…«
    »Elettra gibt mir die Schuld. Aber ich kann Caterina doch nicht zwingen, auf das Haus zu verzichten.«
    »Haben Sie’s denn versucht?«
    »Nicht mit Gewalt. Sie wird hysterisch, wenn sie ihren Willen nicht bekommt. Meine Mutter und ich, wir haben immer versucht… der Tod meines Vaters… überhaupt, mein Vater… ach, es ist zu kompliziert, ich kann Ihnen das nicht erklären. Außerdem, sie hat ja recht, für Geiselopfer mit guten Beziehungen ist bisweilen schon der Staat eingesprungen. Sie meint, man habe uns wie Menschen zweiter Klasse behandelt, und das fand sie ungerecht. Wenn wir es allein versucht hätten, wäre
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