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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen
Autoren: Diana Evans
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er hat ja jetzt seine Milch.«
    Wieder eine doppelte Drehung, doch diesmal blieb Carla am Boden. Die Wagen kreiselten und wogten über ein metallenes Auf und Ab. Carla entschied sich für den gelben Wagen mit dem Namen Super Dan. Als sie auf den Start wartete, beschloss sie, dass dies ihre letzte Fahrt würde, denn sie bekam leichte Kopfschmerzen. Simone hielt ihren Hut und Denise an der Hand. Nach den ersten Drehungen zog Denise Simone weg, an den Nachbarstand. Sie hatte eine riesige Sonnenblume aus Plastik entdeckt. Carla teilte ihren Wagen mit drei Fremden, einem Mann und zwei Frauen. Sie saß ganz außen.
    Durch den Walzertanz auf den metallischen Schrägen schlängelte sich ein mickriger Kerl, dessen Job es war, die Wagen herumzuwirbeln. Er hatte einen ganz besonderen Dreh, und in seinen Händen lag die Macht, die Wagen mit viel Kraft anzustoßen, sodass die Passagiere gegen die Lederwände gepresst wurden. Er konzentrierte sich immer auf die Wagen mit den hübschen Mädchen darin. Er packte den Rand eines Wagens, spielte damit und ließ ihn als Auftakt zu einer stärkeren, richtigen Drehung einmal kreisen. Carla dachte, dass er ein sehr schwindeliges Leben führen musste, auf seiner ständig sich drehenden Welt. Jedes Mal, wenn er sich näherte, klammerte sie sich fester an die Silberstange, die die Passagiere sicherte (und irgendwie locker schien). Runde um Runde ging es herum. Ihr wurde immer schummeriger. Nun zeigte ihr Mister Dreher, wie schnell er drehen konnte. Carla schrie, es klingelte ihr in den Ohren. Sie trieb weg, weg aus dem Moment, weg von dem Schreien, hin zu dem Klingeln.
    Irgendwann drehte Mister Dreher, mit seiner Kippe in der Hand, Super Dan mit solcher Macht, dass Carla ohnmächtig wurde und nach vorne über die Stange fiel. Ihr Sitznachbar versuchte, sie hochzuziehen, er wusste nicht, was geschehen war, aber er hatte Angst, dass sie aus dem Wagen fallen könnte. Ihr Kopf baumelte lose mal nach hier, mal nach da. Der Mann rief dem Dreher zu, er solle anhalten, aber er wurde erst nach mehreren Runden gehört. Erst als Mister Dreher Super Dan noch einmal zu packen bekam, bemerkte er, dass es da eine Ohnmacht gab. Er ließ anhalten. Carla blieb bewusstlos. Ihr Helfer versuchte, sie aus der Ohnmacht zu holen, und sie kam ganz kurz zu sich, dann aber versank sie gleich wieder. Er trug sie auf den Rasen. Als Simone vom Sonnenblumenstand zurückkam, stiegen die Leute gerade aus der Walzerbahn. Das war aber kurz, dachte sie und hielt Ausschau nach Carla. Auf dem Rasen bildete sich eine Menschentraube. Als sie darauf zuging, sah sie Carlas braunen Rock, ihre Beine, ein Schuh fehlte. Sie rannte los und vergaß für einen Moment die Kinder.
    Carla kam etwa neun Minuten später wieder zu sich, da hatte schon jemand den Krankenwagen gerufen. Sie hatte das Gefühl, sie käme von ganz weit her. Als Simone sie ansprach, wusste sie erst nicht, wer das war. Sie setzte sich auf, aber eigentlich zog Denise, soweit sie das konnte, sie hoch. Der Jahrmarkt war ein fernes, farbiges Lärmen.
    »Carla. Ist alles in Ordnung? Carla!«
    Sie zog die Beine an sich, fasste sich an den Hinterkopf. »Wo ist mein Baby?« Ihre Stimme klang fremd und schlaftrunken.
    »Im Kinderwagen. Was ist passiert, bist du ohnmächtig geworden? Der Krankenwagen ist unterwegs.«
    »Hast du dir wehgetan, Mami?«, fragte Denise.
    »Nein, Liebling, alles bestens.« Lucas wimmerte. »Gib ihn mir.«
    »Setz dich sofort wieder hin! Du solltest auf den Krankenwagen warten und nicht gleich aufstehen«, sagte Simone.
    Carla bekam das nicht mit. »Gott, das war vielleicht – seltsam.«
    »Du hast mir einen riesigen Schrecken eingejagt.«
    Sie stand auf ruckartige, ungelenke Weise auf. Simone konnte sie nicht davon überzeugen zu warten. »Ich hab doch gesagt, alles ist bestens. Er muss aus dem Himmel raus, es ist viel zu heiß.«
    »Zieh dir wenigstens deinen Schuh an, Frau. Ich hab diese Walzerbahn nie gemocht – da wird man zu sehr gequetscht. Warte. Du hast was im Haar.«
    »Blumen! Blumen!«, sagte Denise. Carla schüttelte Simones Hand ab.
    Sie wollte einfach nicht warten, nicht auf den Krankenwagen, nicht auf den Bus. Sie gingen den ganzen Weg zu Fuß zurück, die Wood Lane entlang, die Barlby Road hinauf. Denise hielt sich am Handgelenk ihrer Mutter fest und sah immer wieder zu ihr auf, als wäre sie mit ihr zufrieden. Diesmal war es Carla egal, dass die Boa schmutzig wurde, und auch, dass Denise klagte, weil der Weg so weit war. Sie selbst
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