Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als könnt' ich fliegen

Als könnt' ich fliegen

Titel: Als könnt' ich fliegen
Autoren: Ravensburger
Vom Netzwerk:
passierte, war geradezu unfassbar: Ilka fing an zu heulen!
    »Du musst ihn anzeigen«, sagte sie. »Und am besten mich gleich mit. Ich fühl mich so scheiße.« Sie schluchzte laut. Sie strengte sich nicht mehr an, älter zu wirken, als sie war.
    »Was tut dir leid?«, fragte ich.
    Ihr Make-up verschmierte von den Tränen.
    Marlies kam in die Küche. Sie trug einen pinkfarbenen Morgenmantel. Ilka brach endgültig zusammen.
    »Ich bin schuld an allem!«, rief sie, sprang auf und rannte aus der Küche.
    »Was ist denn hier los?«, fragte Marlies. Wir hörten die Haustür ins Schloss knallen. Ich zuckte die Schultern. Dann schnappte ich meine Tasche und eilte Ilka nach. »Hey!«, rief ich. »Warte doch!«
    Tatsächlich blieb sie stehen. In meinem Kopf war es, als setzten sich Puzzlestücke zusammen. Ich wusste nur noch nicht genau, ob es auch das richtige Bild war.
    » Woran bist du schuld?«, fragte ich ruhig. »Hieran?« Ich zeigte auf mein noch immer verbeultes Gesicht.
    Sie nickte, ohne hinzuschauen. Wir gingen nebeneinanderher.
    »Der hat das alles nur wegen mir gemacht«, behauptete sie. Mir wurde klar, dass mir noch immer ein paar entscheidende Puzzleteile fehlten. Aber es wurden weniger.
    »Erklärst du es mir?«, fragte ich.
    »Es tut mir echt total leid«, sagte sie dann noch einmal. »Ich hab das so nicht gewollt.«
    »Und wie hast du es gewollt?«
    »Ich wollte einfach nur, dass ihr beiden nicht zusammenkommt. Milena und du.«
    »Und deshalb sollte ich diese Wette abschließen?«
    »Genau. Mir war klar, wenn sie davon erfahren würde …«
    Die Teile in meinem Kopf passten immer besser.
    »Gar nicht mal so blöd«, sagte ich.
    Ilka nickte schuldbewusst. »Natürlich nicht. War schließlich meine Idee.«
    »Dennis ist total scharf auf sie.« Björn und ich hatten uns in die hinterste Ecke des Schulhofs verkrümelt. Niemand sollte uns hören. »Und sie hat ihm versprochen, wenn er das mit der Wette hinkriegt, dann wird sie sein Flehen erhören.«
    »Wie im Märchen«, meinte Björn ironisch. »Wer die Aufgabe erledigt, kriegt die Prinzessin. Klingt richtig romantisch.«
    »Der Rest liegt auf der Hand«, sagte ich.
    »Als das mit der Wette in die Hose zu gehen drohte«, ergänzte Björn, »wollte unser Freund ein bisschen nachhelfen.«
    »Genau. Er wollte Ilka. Und die wollte die abgeschlossene Wette. Dann brauchte es nur noch Milena erfahren, und Ilka hätte das Spiel gewonnen.«
    Es wurde langsam kälter, von Sommer konnte kaum noch die Rede sein. Ich schlug den Kragen meiner Jacke hoch. Schweigend machten wir ein paar Schritte. Wir hingen unseren Gedanken nach. Ich sah, dass die ersten Blätter von den Bäumen fielen.
    »Ist Ilka verknallt in dich?« Björn verzog das Gesicht. »Oder warum will sie nicht, dass du mit Milena zusammenkommst?«
    »Keine Ahnung. Aber vielleicht hält sie es für imageschädigend. Oder hielt. Kann sein, dass sie dazugelernt hat. Aber genau weiß ich es nicht.«
    »Was hat Milena mit Ilkas Image zu tun?« Björn stocherte im Dunkeln.
    »Wenn ich mit Milena zusammen bin«, sagte ich, »verkehrt sie natürlich bei mir zu Hause. Und du weißt ja: Mein Haus ist auch Ilkas Haus. Sie stellt sich da einfach was anderes vor. Zum Angeben bei ihren Leuten. Da kommt eine Behinderte nicht gut.«
    »Na, dann kann sie ja jetzt doch noch triumphieren«, meinte Björn. »Oder warum geht ihr euch so verbissen aus dem Weg, Milena und du?«

19
    7. September, Samstag, 20 Uhr
    Die ganzen letzten Tage über hab ich es nicht geschafft, irgendwas in dieses Tagebuch schreiben. Ich weiß auch nicht, was ich die ganze Zeit gemacht hab. Eigentlich gar nichts. Außer zu funktionieren: zur Schule gehen, essen, trinken, schlafen und so weiter. Wie ein Automat.
    Der Herbst kommt dieses Jahr echt früh. Es ist ziemlich abgekühlt während der letzten Tage. Aber das ist mir eigentlich egal. Tobias hat ein schlechtes Gewissen, das ist klar. Ohne dass ich es ihm gesagt hätte, weiß er, dass ich es weiß. Das mit der Wette, ich sehe es an seinem Gesicht. Aber er versucht auch nicht, mir was vorzumachen. Wenn nicht alles so schlimm wäre, fände ich das fast schon wieder gut. Aber da noch irgendwas gut zu finden ist eigentlich unmöglich. Wenn er mit irgendwelchen Ausreden bei mir aufkreuzte, würde ich ihm eh nicht zuhören. Vielleicht kennt er mich schon so gut, dass er das weiß. Aber natürlich ist er erst mal nur froh, mich los zu sein, das ist klar. Was soll er mit einer wie mir anfangen, wo er noch nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher