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Als könnt' ich fliegen

Als könnt' ich fliegen

Titel: Als könnt' ich fliegen
Autoren: Ravensburger
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müsste schon einiges passieren.« Er lächelte stolz.
    »Hast du manchmal … Mitleid mit ihr?«, fragte ich. Ich merkte, dass der Gedanke mir aus irgendeinem Grund wehtat. Ich konnte es nicht erklären, aber es war so. Mich selbst hatte ich das auch schon gefragt und die Frage mit Nein beantwortet.
    Auch Sven schüttelte den Kopf. »Früher manchmal«, sagte er, »aber inzwischen gar nicht mehr. Dazu ist sie viel zu stark. Eine Zeit lang hab ich sie dann eher bewundert. Aber das ist jetzt auch vorbei. Ich seh sie ganz einfach als meine Schwester.«
    Eine neue Frage brannte mir auf der Zunge. Sven beantwortete sie, ohne dass ich sie ausgesprochen hatte: »Ich gebe zu, manchmal hab ich Rückfälle. Zum Beispiel in der Sache mit dir. Irgendwie hab ich gedacht, ich müsste sie beschützen.« Er machte eine kurze Pause und sagte dann: »Wirklich lachhaft. Als wenn sie das nicht allein könnte!«
    Wir standen auf. Svens Schaukel quietschte ein letztes Mal. Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinanderher. Ich hatte plötzlich das Gefühl, als ginge ich neben einem guten Freund.
    »Darf ich dir etwas raten?«, fragte er.
    »Warum nicht?«
    Er blieb stehen und sah mich an. Ich fühlte mich ein bisschen komisch. Er ließ sich Zeit. Ich stopfte meine Hände tief in die Taschen und wartete.
    »Bedräng sie nicht«, sagte er schließlich. »Wenn du morgen zu ihr rennst und behauptest, mit der Wette, das sei alles ganz anders gewesen, wird sie sich nur abschotten.«
    »Aber …« Alles in mir sträubte sich gegen seine Worte. Ich musste die Sache klarstellen. Und zwar so schnell wie möglich.
    »Glaub mir«, sagte er. »Ich kenn sie lange genug. Sie wird denken, du willst dich nur rechtfertigen. Lass bei ihr alles ein paar Tage sacken. Dann hast du eher die Chance, dass sie wieder offener ist. Ich check zwischendurch mal die Lage. Wenn sich was bei ihr tut, geb ich dir Bescheid.«
    Mein mulmiges Gefühl blieb. »Ich werd drüber nachdenken«, sagte ich. Als wir uns schließlich trennten, wusste ich wieder nicht mehr so genau, was ich von ihm halten sollte. Vielleicht spielte er ein doppeltes Spiel und wollte mich auf diesem Weg nur von Milena fernhalten. Ebenso gut aber konnte es sein, dass ich anfing, langsam an Verfolgungswahn zu leiden. Meine Verwirrung war groß. Es kam mir vor, als ob ich mich selbst nicht mehr richtig kennen würde.
    5. September
    Ich kann nicht beschreiben, wie es mir geht. In mir ist irgendwie überhaupt kein Gefühl, so wie manchmal in meinem Bein. Ich kann nicht mal schreiben.
    Ich hatte nicht gerade viel geschlafen. Trotzdem erwachte ich morgens mit seltsam klarem Kopf. Ich wusste sofort, dass ich Svens Ratschlag befolgen und Milena nicht bedrängen würde. Und ich wollte endlich für die Klärung der vielen offenen Fragen sorgen. Was wollte Dennis wirklich von mir? Warum war es ihm so wichtig, dass ich auf seine blöde Wette einging? Woher wusste er, dass mein Vater leidenschaftlich Schallplatten sammelt? Und wieso wollte er unbedingt, dass ich jedem sagte, die Wette ginge klar? Irgendjemand Bestimmter sollte das denken. Aber wer? Und warum?
    Beim Frühstück saßen Ilka und ich allein am Tisch. Sie trug wieder das Übliche: tief sitzende Hüfthosen und ein winziges Top. Ihr Bauchnabelpiercing hatte sie sich auf Jamaika zugelegt. Sie war extrem geschminkt. Trotzdem sah ich ihr an, dass auch sie nicht besonders gut geschlafen hatte. Mir gegenüber war sie weiter seltsam zahm. Ihr fehlte jede Angriffslust. Irgendwas stimmte da nicht. »Bist du eigentlich mit Marco zusammen?«, fragte ich. Ich hatte mir vorgenommen, sie in Fahrt zu bringen. Ich schlürfte Tee und ließ sie nicht aus den Augen.
    Völlig entgeistert starrte sie mich an. »Wie kommst du denn auf so was?«, fragte sie entsetzt. »Da kann ich mir echt was Besseres vorstellen.« Seit mindestens fünf Minuten stocherte sie in ihrem Müsli herum, ohne davon zu essen.
    »Zum Beispiel?«, fragte ich in einem Tonfall, als sei es mir eigentlich völlig egal. Sie stocherte noch tiefer. Es schien, als hätte sie mich nicht gehört. Ich musste nachlegen.
    »Wie wär’s mit Dennis?«, fragte ich.
    Volltreffer! Selbst unter ihrer Schminke sah ich noch, dass sie knallrot wurde.
    Ich stellte mich drauf ein, dass mir gleich die Müslischale an den Kopf fliegen würde. Aber nichts. Schweigen. Kleinlaut schob sie ihr Schälchen zur Seite, guckte mich nicht an.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Wirklich.«
    Das klang schon merkwürdig. Aber was dann
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