Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als könnt' ich fliegen

Als könnt' ich fliegen

Titel: Als könnt' ich fliegen
Autoren: Ravensburger
Vom Netzwerk:
mal die Wette gewonnen hat? Er ist ein noch größeres Arschloch als die meisten anderen.
    Nachtrag: Wenn man das liest, merkt man nicht, wie lange ich für dieses Wort mit dem A gebraucht hab. Dreimal hatte ich es schon da stehen und hab’s immer wieder gelöscht. Aber jetzt steht’s wieder da, und so lass ich es auch.
    Gestern Abend wollte Sven mich mit ins Shark schleifen. Aber natürlich bin ich nicht mit. Sven weiß genauso gut wie ich, wer da praktisch jeden Abend rumlungert. Und wen ich garantiert nicht treffen will!
    Phil hatte eine Neue. Er hatte sie gleich mitgebracht. Sie war nicht schöner als Nadine, aber soweit ich das beurteilen konnte, hatte sie einen noch etwas größeren Busen. Als Nadine kam, stand die Neue schon an ihrer Stelle hinter der Theke und ließ sich vom großen Boss einweisen. Dabei ging er wie immer auf Tuchfühlung. Ganz offensichtlich war Nadine von der Situation völlig übertölpelt. Sie stockte mitten im Schritt, die Kinnlade fiel ihr runter. Eine Weile stand sie da wie erstarrt. Die Neue lächelte sie hilflos an, Phil grinste. Nadine sagte irgendetwas. Dann schrie sie. Ich konnte weder das eine noch das andere verstehen. Ich war zu weit weg. Dann drehte sie sich auf der Stelle um und rannte hinaus. Ich sah das alles wie eine Filmszene. Aus einem Film, der mich nicht wirklich berührte.
    Es kam mir vor, als seien mehrere Leben vergangen seit meiner kurzen Geschichte mit Nadine. Die Welt war damals noch eine andere. Aber als ich nachrechnete, wurde mir klar, dass es nur ein Monat war. Obwohl wissenschaftlich nachprüfbar, konnte ich das nicht wirklich glauben. Ich hatte überhaupt keinen inneren Draht mehr zu den damaligen Ereignissen. Außer zu einem einzigen: meiner ersten Begegnung mit Milena.
    Damals in der Drogerie, als ich die Kondome gekauft und sie mir die zwei fehlenden Cent gegeben hatte. Jetzt fiel mir zum ersten Mal auf, dass sie mich nie wieder danach gefragt hatte, was ich mit den Präservativen eigentlich gemacht hatte. Ich dachte, dass das vielleicht einen Teil meiner Vergangenheit betraf, an den sie nicht ranwollte.
    Plötzlich merkte ich, dass ich zum ersten Mal auch von Milena als Teil meiner Vergangenheit dachte. Fast automatisch schossen mir Tränen in die Augen. Für mich ziemlich ungewohnt. Ich glaube, ich hatte nicht mehr geweint, seit ich ein Kind war.
    Schon die letzten Tage hatte ich immer mehr das Gefühl gehabt, dass Milena mir entglitt. Ich sah sie in der Schule, und ich dachte an Svens Worte: dass es nicht gut wäre, sie zu bedrängen. Also bedrängte ich sie nicht. Andererseits entfernte sie sich mit jeder Stunde, die ich versäumte, das Missverständnis auszuräumen, weiter von mir.
    Sie selbst wich mir aus, wo es nur ging. Ich drehte mich in einem Kreis, aus dem ich keinen Ausweg wusste. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich war so tief in meine Gedanken versunken, dass ich erschrocken hochfuhr.
    »Na, heulst du?« Es war die Stimme von Dennis, deren zynischer Tonfall unverwechselbar war. »Guck mal, Hardy, er weint.« Schon saßen sie links und rechts neben mir. »Frauen lieben Männer, die weinen können. Hab ich neulich erst wieder im Fernsehen gehört. Deshalb hat er so gute Chancen.«
    »Wenn auch nur bei Krüppeln«, fügte Hardy hinzu und grinste schmierig. Ich fragte mich ernsthaft, ob er mehr zusammenbrachte als halbe Sätze.
    Dennis lachte nicht mit ihm. Er taxierte mich mit stechendem Blick.
    Ich wischte mir so unauffällig wie möglich die Tränen ab.
    »Was willst du noch?«, fragte ich abweisend.
    Dennis zündete sich eine Zigarette an, bevor er antwortete. Er besaß ein elegantes silbernes Feuerzeug. Hardy hatte eine Selbstgedrehte zwischen den Lippen hängen.
    »Tja«, sagte Dennis nachdenklich, »was will ich eigentlich?« Einen Moment lang schien es, als wüsste er es tatsächlich nicht. »Hardy, was wollte ich noch mal?« Penibel entfernte er ein Stäubchen Asche, das auf sein funkelnagelneues Polohemd gefallen war.
    »Den kleinen Knackarsch?«, schlug Hardy vor.
    »Genau!« Dennis schien erleichtert, dass er noch draufgekommen war. Er vergaß ganz die Asche. »Aber du sollst nicht so ordinär von ihr reden. Ilka heißt sie.« Und in meine Richtung: »Also, Ilka will ich. Klar?« Sein Ton hatte sich plötzlich extrem verschärft. Diese Masche kannte ich schon von ihm. So wollte er die Angst steigern.
    Aber heute gelang ihm das nicht, jedenfalls nicht bei mir. Ich war in einer Verfassung, in der ich fast
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher