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Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Titel: Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
Autoren: Jost Kaiser
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kurze Hose – aber die deutschen Langhosenträger seien auch nicht besser: »Fritz, sag Uncle Sam nie wieder, seine Hosen seien zu kurz.«

Als Helmut Schmidt einmal …
    … an der Orgel fantasierte und Loki einen Schwur sprach
    Wahlkampf 1976. »Freiheit statt Sozialismus« plakatiert die CDU. »Modell Deutschland« lässt die SPD kleben.
    Der Kanzler macht in Passau Station.
    Passau ist erzkatholisch. Strauß-Country. Ein preußischer Hanseat hat hier nicht viel zu lachen. Anti-Schmidt-Stimmung in der CSU-Hochburg.
    Helmut Schmidt gilt als Melancholiker. Später wird man seine Stimmungsschwankungen auf eine Überfunktion der Schilddrüse zurückführen – aber ist es nicht normal, dass ein musischer Mann in Hallen mit grölenden Anhängern verzweifelt?
    Gegen Mitternacht lässt sich der Kanzler zum Dom fahren. Statt immer nur SPD-Anhänger und Sozi-Hasser in Loden will er nun am Ende des Tages auch mal etwas Schönes sehen: die größte Orgel Europas.
    Als der gepanzerte Mercedes vorfährt, wird er vom Domorganisten Walter Schuster auf der Orgel mit einem Stück von Max Reger begrüßt. Der Kanzler selbst setzt sich nur kurz an das Instrument und fantasiert ein kleines Stück. Dann ist wieder Walter Schuster dran, der einen Choral aus dem 17. Jahrhundert schmettert:
    »Wer nur den lieben Gott lässt walten
    und hoffet auf ihn allezeit,
    den wird er wunderbar erhalten
    in aller Not und Traurigkeit.«
    Als Walter Schuster geendet hat, sagt Loki Schmidt: »Daran wollen wir uns auch halten.«

Als Helmut Schmidt einmal …
    … aus der atomwaffenfreien Zone abtrat und Gnade walten ließ
    Dezember 1985, Schule Bonhoefferstraße, Hamburg-Billstedt. Helmut Schmidt sitzt in der Pausenhalle und beglückwünscht Dr. Rolf Niese zu Großem: Der studierte Pädagoge wird Wahlkreiskandidat Hamburg-Bergedorf, den bisher Helmut Schmidt in Bonn vertrat. Zuletzt, bei den Wahlen am 6. März 1983, fuhr der Altkanzler ein Ergebnis von 55 Prozent ein.
    Schmidts Interesse für Dr. Niese ist wahrscheinlich ebenso gering wie das für all die anderen studierten Lehrer in der Oberstudienratspartei SPD, die, seit er weg ist, seltsame Dinge tun. Zum Beispiel diskutieren, ob Hamburg zur atomwaffenfreien Zone erklärt werden soll, obwohl in der Hansestadt keine einzige Pershing steht. Nicht mal im Garten von Helmut Schmidt.
    Der Altkanzler spielt lieber Klavier mit Justus Frantz, empfängt Gäste aus aller Welt in seinem Reihenhaus und nimmt die Ehrendoktorwürde der Freien und Hansestadt Hamburg entgegen, statt sich mit verrückten Sozis rumzuschlagen, die seine sozialdemokratische Partei zu einem Hort des Irrationalismus gemacht haben.
    Sein Abtritt ist aus Sicht Schmidts eine Riesenchance für Kohl, Genscher und die Nachwuchskräfte der eigenen Partei, wie Jochen Vogel. Nein, deren einzige Chance. Er, Schmidt, trete ab, damit die nicht ganz im Bundestag untergehen, denn solange ein Schmidt da sei, würde sich keiner für sie interessieren. Schmidt richtet deshalb einen Appell an Schmidt: »Er sollte den heutigen Führern von Fraktion und Partei nicht die Publizität wegnehmen.«

Als Helmut Schmidt einmal …
    … Billy statt Willy aufbaute
    Im Leben eines jeden Sozialdemokraten hat der Name Willy eine große Bedeutung. Auch für Helmut Schmidt. 1974, während der Guillaume-Affäre, wollte er zunächst, dass Brandt im Amt bleibt. Er versuchte den Kanzler aufzubauen.
    Jetzt, im Spätsommer 1982 und im Spätherbst der sozialliberalen Koalition, wendet sich Schmidts Aufmerksamkeit von Willy ab und Billy zu. Jetzt will er Billy aufbauen, das Regal.
    Schon länger heißt es, Schmidt würde sein Arbeitszimmer daheim in Langenhorn ausbauen. Er geht wohl selber davon aus, dass er bald aus dem Kanzlerbungalow ausziehen muss.
    Mitte August. Ein Verkäufer von Ikea in Kaltenkirchen bei Hamburg sagt zu seiner Kollegin: »Das ist doch der Helmut.«
    »Welcher Helmut?«, antwortet die Kollegin.
    »Na, der Bundeskanzler.«
    In der Tat: Helmut Schmidt steht mit Loki bei Ikea in der Büroabteilung.
    Obwohl man sich bei Ikea genauso wie bei der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu duzen pflegt, wird’s nun doch offiziöser: Es kommt ja nicht so häufig vor, dass ein Bundeskanzler zwischen Pressspantisch »Lack«, Sessel »Poäng« und Sofa »Klippan« auftaucht.
    Die Chefs müssen her: Göran Olsson und Peter Ehrenreich übernehmen persönlich die Beratung des Regierungschefs.
    Am Ende verlässt Schmidt mit acht Billy-Regalen, Kiefer furniert, weiß,
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