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Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Titel: Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
Autoren: Jost Kaiser
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Präsident (»President-elect«), eigentlich regiert Carter noch. In dieser Zwischenphase empfängt der Neue normalerweise keine ausländischen Gäste. Doch Schmidt drängt.
    Reagan willigt schließlich ein, Schmidt für ein verlängertes Händeschütteln zu treffen.
    Zehn Minuten vergehen, zwanzig, die halbe Stunde ist voll.
    Reagan denkt wahrscheinlich: Was will der von mir?
    Nach fünfzig Minuten redet Schmidt noch immer auf Reagan ein, der zunehmend nervös wird, ab und zu nickt und Höflichkeitsfloskeln von sich gibt.
    Zurück in Deutschland, ergreift Schmidt im Bundestag das Wort. Tenor: Mit dem neuen Mann hat er, Schmidt, speziell was die Rüstungskontrolle angeht, alles klargemacht.
    Aus dem Reagan-Lager verlautet nur, die Rede »ginge ein bisschen weiter, als es der Inhalt des Gesprächs mit Reagan hergebe«.
    Kurz danach, als Präsident, startet Reagan ein Aufrüstungsprogramm.

Als Helmut Schmidt einmal …
    … einen Friseur suchte und in einem Rockabilly-Laden landete
    Hamburg ist Helmut-Schmidt-Stadt. Und eine Rockabilly-Hochburg. Rockabilly ist eine rohe Spielart des frühen Rock’n’Roll mit Country-Elementen. Manchmal finden beide, Rockabilly und Helmut Schmidt, zusammen. Und zwar exakt im Laden von Friseur Marcus Jürs.
    Jürs hat tätowierte Arme und führt einen Friseursalon mit Bildern von Johnny Cash an der Wand. Hier holen sich die harten Rockabilly-Jungs ihre ausrasierten Nacken und ihre Tolle. Im Laden läuft Rock’n’Roll. Als Pappfigur ist der King immer anwesend.
    Und alle vier Wochen kommt auch der Kanzler. Wenn mal wieder ein Maischberger-Interview oder sonstige Fernsehtermine anstehen, auch außer der Reihe, meistens in der Mittagspause. Das Zeit -Verlagsgebäude liegt in der Nähe.
    Der Salon wurde 2004 eröffnet. Kurz danach kam Schmidt zum ersten Mal.
    »Er setzt sich hin, raucht, liest Zeitung und erwartet, dass ich in zwanzig Minuten fertig bin«, sagt Jürs.
    Der Laden kann noch so voll sein, wenn Schmidt kommt, herrscht Ruhe. Die harten Jungs, die eigentlich dran wären, lassen den Kanzler vor. »Nehmen Sie erst einmal Herrn Schmidt dran, wir warten.«
    Schmidt lässt sich dann einen Fa ssons chnitt machen. Langes Deckhaar, kurze Konturen. Er kostet 15 Euro.

Als Helmut Schmidt einmal …
    … Max Frisch mit nach China nahm, weil er so erholsam ist
    China-Reise 1976. Mit im Regierungsflugzeug sitzt der Schweizer Schriftsteller Max Frisch und fragt sich, was er da eigentlich tut: »Warum ich eingeladen worden bin, ist nie ausdrücklich gesagt worden.«
    Schmidt hat ihn gebeten, ihn auf dem Staatsbesuch zu begleiten, jedoch kaum mehr als zwei Worte mit ihm geredet.
    1977 wird Max Frisch auch auf einem SPD-Parteitag sprechen. Vielleicht hat Schmidt einfach keine Lust mehr, den Sozis mal wieder selbst den Unterschied zwischen Rationalist und Technokrat, also zwischen ihm, Schmidt, und seinem Zerrbild, beizubiegen.
    Frisch teilt mit Schmidt diese Abneigung gegen überbordende Utopien, wie sie bei der SPD-Linken immer noch zu Hause sind.
    Jetzt, über dem Ararat-Gebirge in der Regierungs-Boeing auf der Rückreise von China, resümiert Frisch den Trip und meint, die Frage beantworten zu können, warum er dabei sein darf.
    Vor dem China-Besuch hatte Schmidt seinen Reisegefährten Frisch ins Kanzleramt gebeten. Es war die erste Begegnung des Schriftstellers mit dem Kanzler.
    Frisch: »Irgendetwas in jener Unterhaltung (35 Minuten) scheint für den Bundeskanzler erholsam gewesen zu sein; die Naivität meiner Fragen vermutlich.«
    Womit klar wäre, was Max Frisch dem amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter voraus hat: Dessen Naivität hat Helmut Schmidt nie als erholsam empfunden.

Quellennachweis
    Der Spiegel: » Personalien « , Nr. 25/1978 v. 19.6.1978, S. 194
    Der Spiegel: » Personalien « , Nr. 41/1978 v. 9.10.1978, S. 280
    Der Spiegel: »› Was befähigt Sie zum Kanzler?‹ 38 Fragen des Spiegel an Kanzler Helmut Schmidt und Kandidat Franz Josef Strauß « , Nr. 40/1980 v. 29.8.1980, S. 24-60
    Helmut Schmidt: » Plädoyer für einen fernsehfreien Tag. Ein Anstoß für mehr Miteinander in unserer Gesellschaft « , in: Die Zeit , Nr. 22/1978 v. 26.5.1978
    Der Spiegel: »Wach an Allerseelen «, Nr. 46/1971 v. 8.11.1971, S. 100f.
    Die Zeit (Th.S.): »Auto-mobil«, Nr. 45/1971 v. 5.11.1971
    Der Spiegel: »Kanzler im Kasten«, Nr. 11/1982 v. 15.3.1982, S. 246
    Politparade. Musik aus Studio Bonn (Schallplatte, CBS 1972), Bear Family Records, neu aufgelegt als 4-CD-Box,
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