Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Titel: Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
Autoren: Jost Kaiser
Vom Netzwerk:
Kolonne rast zum Schmidt-Reihenhaus in Langenhorn.
    Endlich ist Hamburg mal Nabel statt nur das Tor zur Welt: So kannte man das aus den Zeiten, als Schmidt noch Kanzler war.
    Abends wird bei Schmidts gegessen und die Weltlage besprochen. Es gibt Blankeneser Rauchsalat (frisch geräucherter Aal, Lachs, Makrele, Steinbeißer), klare Rinderkraftbrühe mit Hackklößchen, Roastbeef warm und zum Nachtisch Hamburger Rote Grütze.
    Für ein paar Stunden blitzt bei Beobachtern der Gedanke auf, wie die Welt wohl auss ä he, wenn Jerry noch Präsident und Helmut noch Kanzler wäre. »Besser«, würden die meisten nach zwei Jahren Kohl sagen. Der amtierende Kanzler hat gerade den amerikanischen Präsidenten Reagan genötigt, einen zweifelhaften Friedhof in Bitburg zu besuchen.
    In Hamburg jedenfalls ist der Spuk nach drei Tagen vorbei. Die Staatsmann-WG wird aufgelöst. Deutschlands Hauptstadt heißt erneut Bonn statt Langenhorn, als heimliche Hauptstadt wird wieder München eingesetzt.
    Und Kanzler ist wieder und noch sehr, sehr lange Dr. Helmut Kohl.

Als Helmut Schmidt einmal …
    … New York rettete
    Sozialdemokraten sind nicht selten verkappte Anti-Amerikaner: Egon Bahr ist sowjetophil, und auch Herbert Wehner fährt lieber nach Moskau. Willy Brandt hat sich zwar zur Bundestagswahl 1961 als deutscher Kennedy inszenieren lassen, doch das passt gar nicht zu dem melancholischen Mann, der Beklemmungen kriegt, wenn er mal locker in JFK-Manier mit seinem Sohn rumtollen soll.
    Anders Helmut Schmidt. Der Kanzler ist der überzeugteste Amerikaner außerhalb der Vereinigten Staaten. Und innerhalb der USA kann er es wohl auch mit fast allen aufnehmen.
    In der Luftwaffen-Boeing auf dem Weg nach Washington lässt er schon mal einen amerikanischen Journalisten zu sich kommen, um kundzutun, dass er mehr Kongressabgeordnete, Senatoren, Wirtschafts- und Gewerkschaftsbosse kenne als dieser und wahrscheinlich jeder andere lebende Amerikaner. Und überhaupt: »Ich bin vierzig- oder einundvierzigmal in den Vereinigten Staaten gewesen«, sagt Schmidt und fügt – an einen Berater gewendet – hinzu: »Prüfen Sie das mal nach.«
    1975 rettet der Kanzler sogar New York. Die Stadt am Hudson gilt als unregierbarer Moloch und steht kurz vor der Pleite. Schmidt muss ran.
    Auf dem ersten Weltwirtschaftsgipfel in Frankreich nimmt er seinen Freund Gerald »Jerry« Ford zur Seite: Die amerikanische Bundesregierung müsse New York City dringend unter die Arme greifen. Denn der Untergang von NYC wäre eine Katastrophe: »Das würde eine globale Dollarkrise hervorrufen.« Und damit die bundesdeutsche Musterwirtschaft mit in den Strudel reißen. Jerry willigt ein. New York ist gerettet.
    Seitdem, berichten Schmidt-Helfer, betrachte sich der Kanzler nicht nur als Retter Hamburgs vor der Sturmflut, sondern auch als Retter New Yorks. Und damit irgendwie der ganzen dollarabhängigen Welt.

Als Helmut Schmidt einmal …
    … in einen Hosenzwischenfall in Washington verwickelt wurde
    Am 14. Juli 1977 gibt der deutsche Botschafter anlässlich des Kanzlerbesuches ein Diner in seinem Amtssitz in Washington. Serviert werden Artischocken, gefüllt mit Hummer. Walter Mondale, der Vizepräsident der Vereinigten Staaten, ist mit seiner Tochter Eleanor da, Helmut Schmidt ist mit Loki da. Die Damen tragen Abendkleid, die Herren Smoking.
    Eleanor Mondale, 17, ist begeistert von den Deutschen und ihrer Residenz: »Sie haben Leute hier, die einem beim Hinsetzen den Stuhl zurechtrücken. Anders als im Weißen Haus.« Da war sie am Abend vorher.
    Als alle sitzen, schleicht sich Eleanor zu ihrem Vater am Kopf des Tisches: »Papa, deine Hosen sind zu kurz. Ich bin schockiert.«
    Das ruft auch Schmidt auf den Plan, der neben Mondale sitzt: »Könnte jemand denken, meine Hosen sind auch zu kurz?«, fragt der Kanzler die Mondale-Tochter.
    »Nein, Ihre Hosen sind in Ordnung.«
    Die bittere Wahrheit in der Hosenaffäre sieht anders aus. Ina Ginsburg, Muse Andy Warhols und Societydame ersten Ranges, spricht sie aus: »Mondales Hosen enden in Knöchellänge. Schmidts Hosen bedecken die Schuhspitze.« Schmidt trägt zu lang. Viel zu lang.
    Am nächsten Tag zieht die Hosenaffäre Kreise. Washington spricht nicht von gefüllten Artischocken und Weltniveau samt Stühlerückern in der deutschen Botschaft – die falschen Beinkleid-Längen sind das Thema.
    Die Washington Post findet, es steht in Sachen Hosen eins zu eins. Zwar sei das ewige Zeichen amerikanischer Stilunsicherheit die zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher