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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern
Autoren: Kirsten Winkelmann
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Dass sie wichtig für ihn war!
    Oh, wie hatte sie nur so blind sein können! So dumm! So misstrauisch!
    Alles, was ihr zugestoßen war, war eine Antwort Gottes. Alles! Die Tatsache, dass sie aus dieser Familie genommen worden war, dass sie in Arvin und Karen Menschen kennengelernt hatte, die an Gott glaubten, dann all die Predigten, die sie gehört hatte … Ihre Gedanken überschlugen sich … Zachäus, den Jesus auf dem Baum aufgespürt hatte, das war eigentlich sie selbst … und die alte, verlumpte Puppe des kleinen Mädchens … das war auch sie selbst … und oh … fast kam es ihr so vor, als wäre alles, was ihr widerfahren war, eine Inszenierung Gottes, ein Theaterstück – vom Himmel geschrieben und bis ins Detail geplant – aufgeführt nur zu einem einzigen Zweck: um all ihre Fragen zu beantworten! Die Fragen nach Gott, nach dem Sinn ihres Lebens und nicht zuletzt … nach ihrer Identität!
    Sie blickte auf ihren Zettel … ließ es zu, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten, und las mit verschwommenem Blick, wer sie war, was sie gut konnte und was nicht, was sie liebte und was sie verabscheute …
    Es war nicht schlimm, dass dieser Zettel noch nicht vollständig war. Eher war auch das ein Wink Gottes, der ihr sagen wollte, dass sie nun am Zug war, dass es jetzt an ihr war, den Rest herauszufinden, das Leben zu leben – ihr Leben zu leben.
    „Danke“, flüsterte sie überwältigt, drückte den Zettel an ihr Herz und blickte nach oben. „Oh, Gott, ich danke dir! Ich danke dir so sehr!“
    Ihre Worte riefen etwas hervor, womit sie nicht gerechnet hatte. Es war, als wäre Gott persönlich zu ihr gekommen, als hätte er den Raum betreten und sich ganz dicht neben sie gesetzt. Livia hatte das Gefühl, als könnte sie ihn spüren, einatmen, in sich aufnehmen …
    Ein wunderbares Gefühl der Zufriedenheit ergriff sie, als gäbe es plötzlich nichts mehr, was nicht in Ordnung wäre, nichts mehr, was ihr fehlte.
    „Ich hab dich lieb“, krächzte sie und gab sich ganz der Wärme und Liebe hin, die sie umgab wie ein weiches, kuscheliges Federbett …

Kapitel 51
    Sie ging langsam die Treppe hinunter … Stufe für Stufe … und umklammerte dabei den Stoff der Jacke, die über ihrem Arm lag. Der metallene Zipper des Reißverschlusses schlug rhythmisch gegen ihren Oberschenkel und stimmte sie auf den Kampf ein, den sie zu führen gedachte.
    Sie achtete darauf, dass ihr Rücken gerade und ihr Kopf erhoben war, und folgte einem leisen Stimmengewirr in Richtung Küche. Die Tür war nur angelehnt.
    Livia legte ihre Hand auf die Klinke, atmete noch einmal tief durch und schob die Tür auf.
    Inge bemerkte sie zuerst. Sekundenbruchteile später war jedes Gespräch verstummt.
    Erstaunt stellte Livia fest, dass nicht nur ihre Eltern, sondern auch Jan und Henning anwesend waren. Und sie saßen alle gemeinsam am Küchentisch!
    Na, wenn das kein angemessener Rahmen war …
    „Hey“, sagte Henning, hob eine Hand und lächelte ihr freundlich zu.
    Livia verzog keine Miene. „Hallo, Henning“, erwiderte sie kühl.
    Inge räusperte sich. „Wir diskutieren gerade den Hochzeitstermin“, sagte Inge und warf Livia einen zutiefst mahnenden Blick zu. „Jan meint, er sollte in den Semesterferien liegen.“
    Livia war einen Moment sprachlos. Sie wusste ja, was zu tun war, aber mit einer derart klaren Vorlage hatte sie nun doch nicht gerechnet.
    „Äh …“, begann sie ein wenig zögerlich und wandte sich dann an ihren Bruder. „Jan …“ Sie wusste noch nicht so recht, wie sie anfangen sollte. Außerdem war ihr dieser Teil ziemlich unangenehm. Sie wollte nicht von einer Abhängigkeit in die nächste verfallen, sah aber keine andere Möglichkeit … „Hast … hast du in deiner Studentenbude eigentlich eine Gästematratze?“
    „Äh … ja …“, antwortete dieser verwirrt.
    „Und kann ich dich dann mal besuchen?“
    Jan zuckte die Achseln. „Klar, warum nicht …“
    „Heute?“
    Die Fragezeichen, die sich in den Gesichtern ihrer Zuhörer eingruben, waren nicht zu übersehen. Besonders Jan schien völlig perplex. „W-wie meinst ’n das?“, stotterte er.
    Livia atmete ganz tief durch, hob ihr Kinn noch ein bisschen höher und sagte mit fester Stimme: „Ich reise ab.“
    Inges Gesichtszüge entglitten. „Wie bitte?“, entfuhr es ihr.
    „Ich werde nicht länger hierbleiben“, erläuterte Livia und sah Henning an. „Und ich werde dich nicht heiraten.“ Jetzt war es heraus.
    Im nächsten Augenblick schlug
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