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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst
Autoren: Christoph Guesken
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schwülwarmer Abend, der Himmel war bedeckt und für Mitternacht waren schwere Gewitter mit ergiebigem Starkregen angesagt. An die zweihundert Gäste waren gekommen, hauptsächlich aus der Hundefutterbranche, aber auch Fleischverkäufer und einige von Kims neuen Kollegen. Man trank und scherzte laut, die Combo spielte Blues aus längst vergangenen Zeiten und über dem riesigen Grill, den R. Zuckers Creative-Catering managte, stand eine Rauchwolke von vesuvianischen Ausmaßen.

    Kittel, der sich von Kim dazu hatte überreden lassen, beim Bewirten der Gäste zu helfen, hatte kaum Zeit für mich. Im Vorbeigehen raunte er mir zu, dass er seine Italienpläne wieder auf Eis gelegt habe. Dafür habe Kim sich im Gegenzug damit einverstanden erklärt, dass er einige Geschenke bereits vor Weihnachten auspackte.

    Gegen neun kreuzte Haberland auf. Er wirkte schrill in seinem knallroten Hemd und weißen Jackett, offenbar nahm er in Kauf, für einen halbseidenen Unterweltboss gehalten zu werden, nur damit man ihm den Theologen nicht ansah. Sein rechter Arm umfasste Malin, der linke eine monströse Topfpflanze, sein Mitbringsel.

    Und dann betrat Laura die Bühne des Abends. Ich bewunderte ihre engelsgleiche Erscheinung, mit der sie herausstach aus all diesen schwatzenden, Bier trinkenden und rauchenden Partygästen, die an den Stehtischen herumlungerten, den Frauen, die im Vergleich mit ihr wie aufgetakelte Fregatten wirkten in ihren rückenfreien Abendkleidern und knallroten aufgespritzten Lippen. Welten lagen zwischen deren breiten Grinsen und Lauras überirdischer Schwermut, die sie umgab wie eine Aura.

    Mit einem Glas Mineralwasser in der Hand kam sie auf mich zu und bot mir ihre Wange, damit ich einen Kuss darauf hauchte. »Du hast Neuigkeiten von Jens?«

    Genau genommen war das der Trick, mit dem ich sie hergelockt hatte, nachdem sie gesagt hatte, dass Feierlichkeiten dieser Art momentan für sie nicht infrage kämen. »Allerdings«, meinte ich. »Wenn auch keine guten. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat Defries an dem Abend, als ich ihm im Stuhlmacher über den Weg gelaufen bin, anschließend noch deinen Vater aufgesucht. Er wusste inzwischen von dessen krummen Deal mit Castrop und wollte ihn zur Rede stellen. Höchstwahrscheinlich traf er aber nur Schadewaldt an.« Ich sah betroffen drein. »Leider können wir uns nur zu gut denken, wie es weiterging. Schadewaldt hat nicht nur drei, sondern vier Menschen umgebracht.«

    »Aber wenn das so ist, wo ist die Leiche?«

    »Schadewaldt war ein seltsamer Mensch. Und er neigte dazu, Menschen auf seltsame Weise umzubringen. Vielleicht muss man erst die ganze Casa Verde umgraben, besonders diese zermatschte Wiese, wo sich die Hängebauchschweine herumtreiben.« Ich lächelte aufmunternd. »Wenn Jens dort irgendwo begraben ist, dann wäre das doch gar nicht so übel, oder? Er würde sich in der Nähe der Tiere sicher am wohlsten fühlen.«

    Laura lächelte nicht zurück. Ihre überirdische Schwermut begann allmählich zu nerven.

    »Ich glaube nicht, dass es so war«, beharrte sie trotzig. »Und Beat auch nicht.«

    »Beat?«

    Mit ihrem Wasserglas deutete Laura hinüber zu einem der Stehtische, wo sich ein ältlicher Typ in gestylten Jeans mit Schlag und einem Altachtundsechzigerbart über einen bis zum Rand gefüllten Grillteller hermachte. »Er wohnt in Bramsche und ist auch Detektiv«, erklärte Laura.

    »Bramsche? Wo liegt das denn?«

    »Eigentlich kommt er aus Güstrow. Ich habe ihn im Internet gefunden. Beat sagt, dass Jens gar nicht tot sein kann, weil er eindeutig Schwingungen von ihm empfängt.«

    »Moment«, fragte ich irritiert nach. »Gerade noch hast du gesagt, er wäre Detektiv, nicht Fernmeldetechniker.«

    »Beat bezieht in seine Ermittlungen auch die übersinnliche Welt mit ein.« Lauras Schmolllippe schob sich nach vorn, aber nicht zum Schmollen, sondern zum Spotten, wodurch alles Engelsgleiche an ihr verpuffte wie eine schöne Illusion. »Banaler Materialismus ist nämlich längst out.«

    »Dann wünsche ich euch beiden viel Spaß beim Tischerücken«, versetzte ich bissig. »Aber das alles ändert nichts daran, dass dein Bruder tot ist.«

    »Mein Bruder?« Sie machte große Augen. »Wovon redest du überhaupt?«

    »Tja, das war Jens nämlich. Hat der übersinnliche Schnüffler das etwa noch nicht herausgefunden?« Sicher war es gemein, ihr die Neuigkeit so nebenbei zu stecken, aber Nettigkeiten taugten nicht dazu, jemanden zu
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