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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst
Autoren: Christoph Guesken
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Talkshows darüber, ob Ekel ein tragfähiges Motiv sei, um Vegetarier zu werden.

    Was schließlich das Aktionsbündnis gegen Allwetterfleisch anging, so hatte es den Sieg über den verhassten Fleischproduzenten davongetragen und den Weiterbau des wurstförmigen Gebäudes auf dem Hindenburgplatz gestoppt. Doch nachdem es seines prominenten Kopfes beraubt war, brach es auseinander und schließlich blieben nur noch einige wenige übrig, die künftig für andere Ziele kämpfen wollten wie beispielsweise ein unabhängiges Hiltrup.

     
    An dem besagten Samstag traf ich Kim Armbruster im Vegetarian Style, dem neuen Trendlokal der Stadt. Es war so gegen halb acht abends, am Himmel standen hauchdünne Federwölkchen und die Vögel zwitscherten. Eigentlich war ich mit Laura verabredet, aber sie verspätete sich wieder einmal.

    Mit Kim kam ich immer besser klar. Zwar traute sie so gut wie niemandem über den Weg und hatte eine irritierende Vorliebe für körpergestützte Konfliktlösungen. Dafür war sie einem aber niemals lange böse und schmollte nicht für Tage oder Wochen, so wie mein Expartner.

    »Hi, ich muss dich sprechen«, sagte sie.

    »Tut mir leid, Kim, ich bin verabredet. Sie muss jeden Moment kommen.«

    Kim setzte sich an meinen Tisch, als hätte ich mich unverständlich ausgedrückt, und bestellte sich einen Energydrink. Der kam ziemlich plötzlich und sie trank ihn aus, ohne abzusetzen.

    »Kannst du morgen Abend?«, fragte sie. »Mein Daddy kommt aus den Staaten und gibt ein Barbecue, um die Einweihung meines bescheidenen Eigenheims zu feiern.«

    »Klar komme ich.«

    »Er wird Allwetterfleisch aufkaufen, sobald der juristische Kram geklärt ist.«

    »Gute Idee. Für Hundefutter ist das genau der richtige Laden.«

    »Keine Chance.« Kim schüttelte den Kopf. »Das bleibt eine Wurstfabrik, Henki. Die Auflagen für Hundefutter sind zu streng in den USA.«

    Wie immer wirkte Kim frisch und voller Tatendrang, aber hinter ihrer duschgegelten Fassade vermeinte ich eine arme, gestresste Seele zu entdecken.
    »Was ist bloß in Kittel gefahren?«, fing sie nach dem zweiten Drink an. »Er redet nicht mehr mit mir. Ich weiß nicht mal, ob ich was Falsches gesagt habe.«

    »Keine Sorge«, beruhigte ich sie. »Das ist seine Art, dir zu zeigen, dass er dich mag.«

    »Blödsinn, Henki. Er hat seine Sachen gepackt. Auf seinem Schreibtisch lagen Reiseprospekte von Neapel und Umgebung.«

    Das war mir schon bekannt. Gestern Abend war Kittel bei mir aufgekreuzt und hatte seine Klamotten bei mir geparkt. Irgendwie hatte er auf mich einen beziehungsmüden Eindruck gemacht.

    »Ich habe endlich das ideale Zimmer gefunden«, hatte er geschwärmt. »Eine Dachwohnung mit Blick aufs Meer.«

    »Gratuliere, Kittel, so was kriegst du in Münster nicht so leicht.«

    »Conca dei Marini«, schwärmte Kittel weiter. »Ein verschlafenes kleines Nest, eins der kleinsten in ganz Italien. Da hast du mit dem ganzen Scheiß nichts mehr am Hut.«

    »Du hattest doch schon mal mit dem ganzen Scheiß nichts mehr am Hut«, erinnerte ich ihn. »Und was hat es dir gebracht?«

    Es war aber nicht mit ihm zu reden gewesen.

    »Man nennt das narzisstische Störung«, setzte ich Kim auseinander. »Kittel wünscht sich Nähe wie sonst nichts auf der Welt und fürchtet sie zugleich doch so sehr, dass er panisch die Flucht ergreift, sobald er sich in eine Frau verliebt.«

    »Das ist mir zu hoch.« Kim schüttelte den Kopf und winkte dem Kellner. »Außerdem hat er mir was ganz anderes erzählt.«

    »Und das wäre?«

    »Dass ihm alles Mögliche an mir nicht passt. Ich versuche alles, spare mich für ihn auf und was macht er? Zieht einfach aus, der jämmerliche Feigling.«

    »Du sparst dich auf?«

    »Ein geliebter Mensch ist das größte Geschenk, das es gibt, sagt man bei uns in den Staaten. Geschenke vor Weihnachten auszupacken bringt Unglück.«

    Ich wunderte mich. »Aber neulich im Büro, da habt ihr’s doch praktisch auf der Fensterbank getrieben.«

    »Das war vor einer Woche. Wie sagst du auf Deutsch: ein Techtelmechtel. Jetzt ist es ernst.«

    Kim zahlte und ging, nachdem ich ihr versprochen hatte, noch einmal mit Kittel zu reden.

    Zwei Biere später kam die Engelsgleiche. Sie trug einen atemberaubend kurzen Rock und an einem Kettchen um den Hals eine bonbonfarbene Sonnenbrille, die in den verlockenden Tiefen ihres Ausschnitts verschwand.

    »Schickes Outfit!«, lobte ich.

    Wir bestellten einen Antifleisch-Salat, ein Gericht, das nicht
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