Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Offene Rechnungen

Offene Rechnungen

Titel: Offene Rechnungen
Autoren: Jacobsen Harald
Vom Netzwerk:
PROLOG
    Norbert Martens stellte seine Honda vor der Tür des Geschäftshauses ab, so wie er es jeden Tag seit drei Wochen tat. Es war sein zweites Jahr als Motorradfahrer und diesen Frühling zählte Norbert zu den Frühstartern. Leise vor sich hin pfeifend ging er zur Eingangstür des quadratischen Gebäudes, in denen sich viele Firmen angesiedelt hatten. Der milde Wind trug das Motorengeräusch eines Frachters vom nahe gelegenen Nord-Ostsee-Kanal an seine Ohren. Er hatte hier schon während seiner Studienzeit gejobbt und war nach dem erfolgreichen Abschluss als Angestellter übernommen worden.
»Immer das Gleiche«, brummelte Norbert, als er einen Aufsteller zur Seite schob.
Im Eingangsbereich des mit viel Glas gebauten Gebäudes gab es einige metallene Hinweistafeln, die als Wegweiser im Gebäude genutzt wurden. Wenn ein Unternehmen eine Veranstaltung abhielt, wurden diese Hinweisschilder in der Nähe des Eingangsbereichs platziert. So steuerte man die Besucher in die richtige Etage. Es gehörte zum üblichen Prozedere, dass die Putzfrau diese metallenen Tafeln in einer Ecke des Eingangsbereichs zusammenstellte. So erleichterte sie sich ihren Job, vergaß aber meistens, die Hinweistafeln wieder an ihren Platz zu stellen. Somit gehörte es zur täglichen Routine für Norbert, diese Hinweistafeln wieder an ihren Platz zu rücken. Um beide Hände dafür frei zu haben, hatte er sich den Integralhelm über den linken Unterarm geschoben. Nachdem Norbert diese Aufgabe erledigt hatte, wandte er sich dem breiten Empfangstresen zu. Ihn trennten noch drei Schritte vom Tresen, als sein rechter Fuß den Halt verlor. Norbert kämpfte um das Gleichgewicht und konnte einen Sturz in letzter Sekunde mit beiden Händen am Tresen abfangen. Erschrocken wandte er sich um und sah auf den Boden, um die Ursache für die Schlidderpartie zu erkunden.
»Was ist…?«, setzte er an, als er die verwischte Spur ausmachte.
Automatisch verfolgte sein Blick die Spur bis zu ihrem Ausgangspunkt. Sein Gehirn benötigte einige Sekundenbruchteile, um die Bilder zu verarbeiten. Mit der Erkenntnis, um welche Flüssigkeit es sich handelte und woher sie stammte, schoss sein Mageninhalt die Speiseröhre hinauf. Würgend erbrach Norbert sich in seinen Helm.

KAPITEL 1
    Frank Reuter hatte sich in die Schlange der wartenden Fahrzeuge eingereiht. Lustlos wanderte sein Blick über die Wagendächer und blieb schließlich am Heck des riesigen Containerfrachters hängen.
»Die am stärksten befahrene Wasserstraße der Welt«, knurrte er und zitierte damit eine Aussage über den Nord-Ostsee-Kanal.
Vor zwei Stunden hatte ihm Kriminalrat Gerster die Ermittlungen übertragen und erst seitdem kannte Frank auch den Ort Schacht-Audorf. Kennen war zu viel gesagt, aber immerhin hatte er schon einmal das Ortsschild gesehen. Die Autofähre sollte den Hauptkommissar vom Landeskriminalamt Kiel nach Rendsburg bringen, da er dort in einem Geschäftshaus mit Staatsanwalt Clemens Wolter verabredet war.
»Zwei Tage haben die verschwendet und ich soll jetzt die Kohlen aus dem Feuer holen. Verdammte Provinzler!«
Franks schlechte Laune wurde durch die Umstände, die ihn zu den Ermittlungen des toten Kollegen gebracht hatten, nicht unbedingt besser. Der ganze Fall schien schon zu diesem Zeitpunkt völlig verpfuscht zu sein, aber Gerster hatte Frank offenbar aus der Schusslinie haben wollen. Für einen kurzen Augenblick stand ihm wieder der Anblick seines toten Kollegen Sven vor Augen. Nachdrückliches Hupen riss ihn aus den trüben Gedanken und als Frank aufschaute, bemerkte er die Lücke zwischen seinem Passat und dem nächsten Wagen. Mürrisch startete er den Motor und rollte die zum Kanal abfallende Straße zum Fähranleger hinunter. Hinter einem Pritschenwagen der Stadtreinigung stoppte Frank und ließ dieses Mal den Motor im Leerlauf vor sich hin tuckern.
»Da bringt jemand einen Hauptkommissar in so einem Nest wie Rendsburg um und die Kollegen sind zu dämlich, innerhalb von achtundvierzig Stunden auch nur einen brauchbaren Hinweis zu finden. Unfassbar!«
Nachdenklich betrachtete er zwei unterschiedliche Gebäude auf dem gegenüberliegenden Ufer. Irgendwo in einem der Häuser hatte man Hauptkommissar Wiese mit eingeschlagenem Schädel aufgefunden. Bisher wusste man weder, was der Kriminalbeamte in dem Geschäftshaus gewollt hatte, noch gab es den geringsten Hinweis auf einen Täter. Hätte Frank tippen sollen, in welchem der beiden Gebäude die Tat begangen worden war, würde er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher