Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst
Autoren: Christoph Guesken
Vom Netzwerk:
hat sich immer alles genommen«, stieß Haberland hervor. »Als würde es ihm gehören. Wissen Sie, warum ich das mit den Fingern gemacht habe? Weil ich dieses Saubermanngehabe nicht mehr ertragen konnte. Sie als Kriminalist werden das nicht verstehen. Mir war klar: Wenn es diesen Kerl erwischt, dann gehe ich mit ihm unter. Aber das war es mir wert.« Der Professor nickte auf die Art, wie Betrunkene nicken. »Das war es mir, verdammt noch mal, wert.«

    »Sie haben mir immer noch nicht gesagt, was aus Jens Defries geworden ist, Ihrer Lichtgestalt.«

    »Meiner Lichtgestalt?«, wiederholte Haberland gedehnt. Er klaute mir eine Grillwurst und fuchtelte damit vor meiner Nase herum. »Nun, das sehe ich etwas anders als Sie, Herr Voss. Und zwar genau aufgrund dessen, was sich ereignete.«

    »Was ereignete sich denn?«

    »Jens Defries lebte vielleicht nicht wie ein Messias und wollte auch keiner sein. Aber er starb wie einer. Und darauf kommt’s doch letztlich an, meinen Sie nicht auch?«

    »Wovon reden Sie überhaupt, Haberland?«

    »Eigentlich kam die Idee von Götz, obwohl ich das ungern zugebe. Er hatte seit Langem gute Beziehungen zu Allwetterfleisch. Kannte sich in dem Laden ziemlich gut aus. Nachts kommst du da zwar nicht einfach so rein, meinte er, aber die Anlage läuft vollautomatisch. Und wenn du dich ein bisschen auskennst, kannst du dich jederzeit in die Verwertungsschlange einklinken. – Welche Verwertungsschlange?, wollte ich wissen. Also haben wir Jens’ sterbliche Reste zusammengepackt, genauer gesagt, sein Faktotum, dieser …«

    »Schadewaldt?«

    »Genau. Der hat das übernommen.«

    »Mitgefangen, mitgehangen«, nickte ich.

    »Was meinen Sie?«

    »Schadewaldt. Der Kerl hatte nur Angst, dass man ihm auf die Schliche kommt. Deshalb hat er die Morde begangen. – Wie ging’s weiter?«

    »Während Schadewaldt den Wagen im Venner Moor entsorgte, fuhren Götz und ich in die Loddenheide und er zeigte mir die Verwertungsschlange. Wissen Sie, Herr Voss, ich verstehe nicht viel davon. Aber der ganze Kram, der da aus aller Herren Länder angeliefert wird, muss erst durch verschiedene Zerkleinerungsstufen gejagt werden, damit man überhaupt was mit ihm anfangen kann, verstehen Sie?«

    Ich nickte. »Sie sind also bei Allwetterfleisch eingestiegen.«

    »Nein. Götz hatte doch einen Schlüssel.«

    »Aber Sie haben sich in die Verwertungsschlange eingeklinkt?«

    »Wieder nein, Herr Voss. Nicht wir. Jens.«

    »Sie meinen, Sie haben die Leiche einfach in die Fleischverwertung eingeschleust?«

    »Ich sagte Ihnen doch: Es war kein sinnloser Tod«, erklärte Haberland geduldig, und mir fiel es wie Schuppen von den Augen, dass er den Verstand verloren hatte. »Sondern die Krönung der Laufbahn eines Messias. So steht es schließlich geschrieben, nicht wahr? Nehmet hin und esset alle davon, dies ist mein Leib. «

    Ich bildete mir ein, Milde in den Augen meines Gegenübers wahrzunehmen. War es eine spezielle Fähigkeit von Theologen, mild und verständnisvoll zu schauen? Was Haberland anging, so war er jedenfalls ein Könner auf diesem Gebiet.

    Das Kauen hatte ich längst eingestellt.

    Haberland deutete auf meinen Teller, auf dem noch drei gegrillte Würstchen lagen. »Sie essen ja gar nichts.«
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher